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Missbrauch offenlegen – eine schwierige Aufgabe

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Missbrauch offenlegen – eine schwierige Aufgabe

Stell dir vor, du trägst einen unsichtbaren Rucksack, der mit schweren Steinen gefüllt ist. Egal, was du tust - ob du einkaufst, dein Kind von der Schule abholst oder zu einem romantischen Abendessen gehst - du trägst diesen unsichtbaren Rucksack immer mit dir herum. Das Gewicht beschäftigt dich ständig und raubt dir Energie. Oft können die Menschen um dich herum dein Verhalten nicht verstehen. Warum scheinst du abgelenkt zu sein? Warum bist du die ganze Zeit müde? In deinem Kopf ist der Grund klar: Du trägst jeden Tag eine schwere Last mit dir herum.

Als Betroffene/r von sexuellem Kindesmissbrauch gibt es vielleicht Momente, in denen du das Gefühl hast, eine unsichtbare Last zu tragen. Andere können sie nicht sehen, aber sie ist für dich da und sie ist real. Irgendwann denkst du vielleicht darüber nach, anderen von deinem Missbrauch zu erzählen und das Unsichtbare sichtbar zu machen, aber der Gedanke daran kann überwältigend und beängstigend sein. Hier sind ein paar hilfreiche Tipps, die du wissen solltest.

Wenn du anderen noch nicht von deinem Missbrauch erzählt hast, bist du nicht allein

Das Verheimlichen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit ist unter Betroffenen weit verbreitet. Eine Studie über sexuellen Missbrauch hat ergeben, dass „eine beträchtliche Anzahl von Kindern ihre Missbrauchserfahrung erst im Erwachsenenalter offenlegt“ und „ein signifikanter Anteil der betroffenen Erwachsenen nie darüber sprechen“. Eine weitere Studie ergab, dass 26 % der erwachsenen Betroffenen ihren Missbrauch bis zum Zeitpunkt der Studie nicht offengelegt hatten.1

Es gibt viele Gründe, warum Betroffene den Missbrauch nicht teilen: Sie schämen sich für das, was passiert ist, fürchten, dass der Täter sich irgendwie rächen wird, wollen ein Familienmitglied schützen und bezweifeln sogar, dass ihre Erinnerungen wahrheitsgetreu sind und der Missbrauch überhaupt stattgefunden hat.2 Leider ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich offenbaren, umso geringer, je jünger ein Kind zum Zeitpunkt des Missbrauchs war und je enger die Beziehung zum Täter war.1 Wenn du deinen Missbrauch nicht erzählt hast, solltest du dich nicht schlecht oder schuldig fühlen. Die Entscheidung, ob und wann du dich offenbaren sollst, ist eine Herausforderung, die alle Betroffenen bewältigen müssen.

Sich anderen anzuvertrauen ist ein komplizierter Prozess - aber es kann dir während deinem Heilungsprozess helfen

Das Offenlegen von Informationen ist in der Regel kein einfaches, einmaliges Ereignis. Es ist ein komplizierter Prozess, der in der Regel bedeutet, dass du eine Reihe von Teilinformationen preisgibst, um die Reaktionen der Personen, denen du dich anvertraust, zu testen und sicherzustellen, dass es für dich sicher ist, mehr zu sagen. Viele Betroffene beschreiben die „emotionalen und kognitiven Prozesse, die mit der Entscheidung, sich anderen anzuvertrauen, einhergehen, als überwältigend“3.

Wir wissen, dass die Vorstellung, jemandem von deinem Missbrauch zu erzählen, beängstigend sein kann. Es mag sogar unmöglich erscheinen. Aber es gibt einige potenzielle Vorteile, die dir auf deinem Weg zur Heilung zugutekommen können. Erinnerst du dich noch an den unsichtbaren Rucksack? Wenn du anderen von deinem Missbrauch erzählst, kann sich deine Last leichter anfühlen. Leute können dir besser helfen, wenn sie verstehen, was du durchmachst.

Deine Geschichte hat Kraft

Denke daran, dass deine Geschichte große Bedeutung hat, und denke daran, dass es deine Geschichte ist. Es kann von Vorteil sein, wenn du sie erzählst, aber achte darauf, dass der richtige Zeitpunkt für dich gekommen ist. Anderen von deinem Missbrauch zu erzählen, erfordert ein gewisses Maß an Verwundbarkeit, daher solltest du dir Menschen in deinem Umfeld aussuchen, denen du vertraust. Du hast keine Kontrolle darüber, wie andere Menschen auf das reagieren werden, was du ihnen erzählst, aber du kannst dir liebevolle und unterstützende Freunde und Verwandte suchen, die dich unterstützen. Letztendlich kannst nur du entscheiden, wem du davon erzählst und wieviel du preisgibst, beides sind wichtige Faktoren, über die du nachdenken solltest. Wenn du deine Geschichte überlegt und zielgerichtet teilst, öffnet sich vielleicht eine neue Tür auf deinem Heilungsprozess, wenn du die Wahrheit aus dem Dunkeln holst und ans Licht bringst.

Was sind somatische Reaktionen und warum sind sie wichtig?

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Was sind somatische Reaktionen und warum sind sie wichtig?

Leslie* empfand aufgrund ihres sexuellen Missbrauchs eine unglaubliche Wut. Sie war über das Geschehene sehr aufgebracht und darüber, dass sie sich nicht gegen den Täter wehren konnte. Ironischerweise war Leslies Wut so tief in ihr vergraben, dass ihre Gefühle im Unterbewusstsein abliefen. Anstatt ihre Wut über das, was ihr passiert war, nach außen zu tragen, hatte sie Schlafprobleme. Bis Leslie sich ihre Wut und ihre Abwehrimpulse bewusst machte, konnte sie diese nicht verarbeiten, und ihre Schlaflosigkeit dauerte an. Kommt dir etwas an dieser Geschichte bekannt vor?

Wir neigen vielleicht dazu zu denken, dass unser Körper von oben nach unten gesteuert wird: Unser Bewusstsein sagt unserem Körper, was er tun soll. In Wirklichkeit gibt es aber auch eine Menge Aktivitäten von unten nach oben: Unser Körper hat einen großen Einfluss darauf, wie wir denken. Die Forschung hat entdeckt, dass die Verarbeitungsprozesse vor allem bei Trauma-Betroffenen häufig von unten nach oben ablaufen. Leslies Schlaflosigkeit zum Beispiel könnte als eine Art „Bottom-up“ Reaktion betrachtet werden. Ihr Körper reagiert auf eine Weise auf das Trauma, die sie selbst nicht bewusst steuern kann. In extremen Momenten kann es zu einem Bottom-up „Hijacking“ kommen. Dabei tritt das Bewusstsein zurück, während der Körper den Rest des Verstandes in Alarmbereitschaft versetzt, selbst wenn es keinen Grund zur Sorge gibt. Diese Reaktion löst bei den Betroffenen sowohl körperlichen als auch emotionalen Stress aus.

Viele Betroffene von sexuellem Missbrauch leiden unter den körperlichen Auswirkungen ihres Traumas. Manchmal ist es unmöglich, eine physiologische Erklärung für das zu finden, was vor sich geht. So leidet jemand z. B. unter Schlaflosigkeit, kann aber nicht erklären, warum das so ist, oder ein anderer leidet unter chronischem Bluthochdruck, ohne dass es einen klaren Grund dafür gibt. Mit anderen Worten: Es gibt körperliche Symptome, die sich nicht vollständig durch eine medizinische Erkrankung erklären lassen. Der Fachbegriff für solche Symptome lautet „somatische Symptome“.

Aber wie kommt es zu somatischen Symptomen? Leider gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort. Der Stanford-Professor für Neurowissenschaften, Robert Sapolsky, erklärt: „Wir haben erkannt, wie komplex unsere Biologie und unsere Emotionen miteinander verwoben sind und wie sehr unsere Persönlichkeit, Gefühle und Gedanken die Geschehnisse in unserem Körper widerspiegeln und beeinflussen“.

Es gibt noch eine andere Denkweise, um das alles zu verstehen. Unsere Gehirne haben mehrere Verarbeitungsmöglichkeiten. Einer dieser Wege führt über den physischen Körper. Diese Verarbeitung, die sich auf körperliche Empfindungen und Impulse konzentriert, findet in den unteren Ebenen des Gehirns statt, im Gegensatz zur bewussten, kognitiven Verarbeitung, die in den höheren Ebenen stattfindet. Es kann sein, dass dein Körper immer noch ein Trauma speichert und verarbeitet, von dem du glaubst, dass du es auf der bewussten Ebene verarbeitet hast. Anders ausgedrückt: Es gibt eine Menge Bottom-up-Verarbeitung.

Warum ist das so wichtig? Zunächst einmal könnte es sich lohnen, der Möglichkeit nachzugehen, dass das Trauma aus deiner Vergangenheit ein Faktor für einige deiner heutigen körperlichen Symptome sein könnte. Wenn du chronische Gesundheitsprobleme hattest, für die du nie eine zufriedenstellende Erklärung gefunden hast, könnten sie mit deinem Trauma in Zusammenhang stehen. Zweitens kann es ein Schlüssel zum Heilen sein, wenn du deinen Körper dazu bewegst, das Trauma aufzuarbeiten. Ziehe in Erwägung, einen Therapeuten oder eine Therapeutin aufzusuchen, der/die darauf spezialisiert ist, körperliche Symptome und Empfindungen als Teil deines Heilungsprozesses zu behandeln. Bei Saprea sprechen wir oft über die Notwendigkeit ganzheitlichen Heilens und ermutigen dich, sowohl auf deinen Körper als auch auf deinen Geist zu achten.



*Der Name von Leslie wurde aus Datenschutzgründen geändert, ihre Geschichte entspricht jedoch der Wahrheit.

Tipps zum Umgang mit Triggern in der digitalen Ära 

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Tipps zum Umgang mit Triggern in der digitalen Ära 

Gastbeitrag von Taylor Street

Wir leben im Zeitalter der Informationsfreiheit. Der Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, Wirtschaftsdaten und Fachwissen zu jedem beliebigen Thema, ist buchstäblich zum Greifen nah. Die Antworten auf fast jede Frage, die uns einfällt, sind selten mehr als ein paar Klicks entfernt.

Aber das Leben in einer Welt, in der wir von Technologie umgeben sind, durch die wir mit all diesen Informationen verbunden sind, hat seine Tücken. Wahrscheinlich ist dein Smartphone immer nur ein paar Meter von dir entfernt und bimmelt alle paar Minuten mit E-Mails, SMS-Nachrichten und Social Media-Benachrichtigungen. Wahrscheinlich dreht sich zumindest ein Teil deines Arbeitsalltags um einen Computer. Und wenn du wie die meisten Menschen bist, hast du mindestens einen Fernseher - wenn nicht sogar mehrere - in deinem Haus.

Die Herausforderung für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch besteht darin, dass das Risiko, auf etwas zu stoßen, das Trigger auslöst, extrem hoch sein kann. Vielleicht scrollst du gerade durch Instagram, und siehst plötzlich ein Foto, das dich an jemanden erinnert, der an deinem Missbrauch beteiligt war. Oder du schaust gerade deine Lieblingssendung im Fernsehen, als eine Werbeanzeige für die Abendnachrichten berichtet, dass ein weiterer Promi wegen sexuellen Fehlverhaltens angeklagt wurde.

Da unsere heutige Gesellschaft vermutlich immer mehr mit Technologie überflutet wird und Gespräche über sexuelle Gewalt weiterhin Schlagzeilen machen werden, ist es wichtig, dass du lernst, diese Trigger zu erkennen und zu bewältigen. Wenn du sie ignorierst, könnte das deinen Weg zur Heilung beeinträchtigen und auch deine Handlungsfähigkeit in bestimmten Situationen einschränken.

Was ist ein Trigger?

In den letzten Jahren ist das Wort „Trigger“ in der Popkultur zu einem Synonym für übermäßige Sensibilität oder die Unfähigkeit, einen Scherz zu verstehen, geworden. Keine dieser Verwendungen ist wahr oder korrekt.

In Wirklichkeit ist ein Trigger ein Moment, in dem du körperlich und/oder emotional auf bestimmte Anblicke, Geräusche oder Gerüche reagierst, die in irgendeiner Weise mit dem erlebten Trauma zusammenhängen. Diese Symptome und Gefühle sind Teil der natürlichen Reaktion deines Gehirns auf unsichere Erfahrungen aus der Vergangenheit. Deine Reaktion auf Trigger bestimmt nicht, wer du bist. Deine Fähigkeit, sie zu „kontrollieren“, schränkt dein Heilen oder dein Wachstum nicht ein.

Wie fühlt sich ein „Trigger“ eigentlich an?

Jeder Mensch erlebt Trigger anders, aber wie wir bereits erwähnt haben, lösen Trigger in der Regel eine negative körperliche und/oder emotionale Reaktion aus.

Zu den körperlichen Reaktionen auf einen Trigger können gehören:

  • Erhöhte Herzfrequenz
  • Muskelspannung
  • Schwitzen
  • Zittern
  • Schüttelfrost oder Hitzewallungen
  • Schwindel oder Übelkeit
  • Schmerzen oder Engegefühl im Brustkorb
  • Atemprobleme und/oder Hyperventilieren
  • Tunnelblick oder Unfähigkeit, sich zu konzentrieren

Wenn du schon einmal eine Panikattacke erlebt hast, fällt dir vielleicht auf, dass einige der oben aufgeführten Körperreaktionen dem ähneln, was du während einer Panikattacke erleben könntest. Es ist wichtig zu bedenken, dass ein Trigger zu einer Panikattacke führen kann, aber nicht immer. Außerdem werden nicht alle Panikattacken durch Trigger ausgelöst. Wenn du mehr über Panikattacken erfahren möchtest, schau dir diesen Dienstags-Tipp an.

Zu den emotionalen Reaktionen auf einen Trigger können folgende Gefühle gehören:

  • Traurigkeit
  • Wut
  • Furcht oder Misstrauen
  • Reizbarkeit oder den Wunsch, andere zu verletzen
  • Einsamkeit, Abgehobenheit oder das Verlangen, sich zurückzuziehen
  • Verwirrung

Außerdem kann ein Trigger dazu führen, dass dein Körper in den sogenannten "Kampf-Flucht-Schockstarre"-Modus versetzt wird, was dazu führt, dass du das Gefühl hast, dass du Aspekte deines Missbrauchs noch einmal erlebst. In diesen Fällen hat der Frontallappen - der "logische" Teil deines Gehirns, der bei der Entscheidungsfindung und Impulskontrolle hilft - seine Aktivität drastisch reduziert und das limbische System hat die Kontrolle übernommen. Das limbische System - oder “primitives Gehirn" - ist der unterbewusste Teil des Gehirns, der für das Überleben und die Vermeidung von Schmerzen zuständig ist. Es ist der Ort, an dem die starken körperlichen und emotionalen Reaktionen ihren Ursprung haben. Wenn du mehr über die verschiedenen Rollen deines Frontallappens und des limbischen Systems auf deinem Weg zur Heilung erfahren möchtest, klicke hier.

So identifizierst du deine Trigger

Die Identifizierung von Triggern kann im entscheidenden Moment schwierig sein - da dein limbisches System das Steuer übernimmt, hast du wahrscheinlich keine Zeit, logisch darüber nachzudenken, was dein Unbehagen auslösen könnte und warum. Aber wenn du dich beruhigt hast und über dein Erlebnis nachdenkst, kannst du bestimmte Trigger identifizieren.

Hier sind zwei Hilfsmittel, die einige Betroffene als hilfreich empfinden, wenn sie über ihre Trigger-Erfahrungen nachdenken:

AUSDRUCKSVOLLES SCHREIBEN

Schreiben ist eine der einfachsten Methoden, um Gefühle, die mit dem Trauma deiner Vergangenheit verbunden sind, anzusprechen und zu verarbeiten. Diese Methode wird auch als expressives Schreiben bezeichnet und es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass sie für Betroffene hilfreich ist. Wenn du über das auslösende Erlebnis nachdenkst und schreibst, behalte die folgenden Situationen und Fragen im Hinterkopf:

  • Dir ist aufgefallen, dass beim Fernsehen oft negative Gefühle aufkommen. Gibt es ein bestimmtes Programm oder eine bestimmte Sendung, die dich stört? Gibt es bestimmte Themen, bei denen du dich unwohl fühlst, wenn du etwas darüber liest oder ihnen zuhörst? Wie reagierst du, wenn die negativen Gefühle auftauchen? Stört dich eine der dargestellten Personen auf irgendeine Weise?
  • Ein Angehöriger teilt eine persönliche Nachricht auf Facebook. Du möchtest positiv darauf reagieren, aber du kannst nicht anders, als betrübt oder wütend zu sein. Worum geht es in der Nachricht? Eine berufliche Beförderung? Eine neue Beziehung? Ein Plan, an einen neuen Ort zu ziehen? Welche Gefühle kamen auf, als du die Nachricht gelesen hast? Wie hat sich dein Körper dabei gefühlt? Bist du eigentlich traurig oder wütend über die Nachricht oder über eine Erinnerung, die durch die Nachricht wachgerufen wurde?
  • Eine Gruppennachricht mit Freunden oder Familienmitgliedern hat dich nervös und verunsichert, aber du bist dir nicht sicher, warum. Was war das Thema der Unterhaltung? Wie war der Ton der Unterhaltung? Wo warst du, als du dich an der Textkette beteiligt hast? Hat jemand etwas Bestimmtes gesagt, das dich verärgert hat? Wer waren die Personen, die an dem Gespräch beteiligt waren?

RAD DER EMOTIONEN

Ein weiteres Hilfsmittel, das viele Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch hilfreich finden, ist unser Rad der Emotionen. Es hilft dabei, komplexe Gefühle zu vereinfachen und die Emotion(en) besser zu verstehen, die du gerade erlebst. Verstehen ist ein wichtiger Schritt bei der Lösung jedes Problems oder Dilemmas - sobald du die Emotionen verstehst, die bei dir ausgelöst wurden, kannst du Schritte unternehmen, um diese Emotionen zu lindern.

Saprea's emotion wheel, a list of basic emotions surrounded by more specific emotions that fall under a base emotion.

Um das Rad der Emotionen zu benutzen, denke zunächst an ein Erlebnis, bei dem der Trigger in dir geweckt wurde. Beginne damit, das Rad in der Mitte zu benutzen, um die Kernemotion zu identifizieren, die du während des Erlebnisses empfunden hast. Warst du wütend? Ängstlich? Traurig? Gefühlslos?

Von dort aus gehst du zum äußeren Teil des Rades und schaust dir die Gefühle an, die mit dieser Emotion verbunden sind. Suche nicht unbedingt nach einer Emotion. Achte vielmehr darauf, welche Gefühle dir zusagen.

Wiederhole diesen Vorgang mehrmals, während du über verschiedene Trigger-Erfahrungen nachdenkst. Achte dabei auf bestimmte Muster. Gibt es bestimmte Gefühle, die du empfindest, wenn ein Trigger-Erlebnis mit sozialen Medien zu tun hat? Fühlst du dich im Allgemeinen bei allen Trigger-Erlebnissen gleich oder variieren die Gefühle je nach Situation?

Da die Bewältigung von Aggressionsgefühlen oft andere Taktiken erfordert als die Bewältigung von Gefühlen der Unsicherheit, ist das Verständnis dieser Muster für den Heilungsprozess entscheidend. Sobald du eine Vorstellung davon hast, wie deine Gefühle typischerweise auf Trigger reagieren, kannst du einen Plan schmieden, wie du mit diesen Triggern umgehen kannst.

Umgang mit Triggern durch Planung und Übung

Einer der schwierigsten Aspekte beim Heilen vom Trauma des sexuellen Kindesmissbrauchs ist der Umgang mit Triggern. Da Trigger eine automatische (oft unwillkürliche) Reaktion hervorrufen, finden es manche Betroffene hilfreich, einen Plan zu erstellen, wie sie mit Triggern umgehen wollen, wenn diese auftreten. Sobald du einen Plan erstellt hast, kannst du deine geplanten Reaktionen üben, damit sie natürlicher ablaufen, wenn du auf einen unerwarteten Trigger triffst.

Im Folgenden stellen wir dir verschiedene Aktivitäten und Erdungsübungen vor, mit denen du Trigger bekämpfen kannst. Wir ermutigen dich, sie auszuprobieren, wenn du ruhig bist, um nicht nur deine Bewältigungsfähigkeiten zu verbessern, sondern auch herauszufinden, welche Übungen dir am meisten helfen.

ERDE DICH IN 5-4-3-2-1

Viele Betroffene nutzen Erdungsübungen, um sich in Momenten extremer Emotionen, Dissoziationen oder Flashbacks zu entspannen.

Probiere diese einfache, sensorische Erdungsübung aus, um dich im gegenwärtigen Moment zu verankern:

  • Nenne 5 Dinge, die du sehen kannst.
  • Nenne 4 Dinge, die du fühlen kannst.
  • Nenne 3 Dinge, die du hören kannst.
  • Nenne 2 Dinge, die du riechen kannst.
  • Nenne 1 Sache, die du schmecken kannst.

Wenn du diese Übung hilfreich findest und dich für Druckvorlagen interessierst, die du mitnehmen oder an deine Wand hängen kannst, klicke hier.

ATEMTECHNIK ZU AUSGEGLICHENEN EMOTIONEN

Atmen ist eine wunderbare Erdungstechnik, denn du kannst sie überall, jederzeit und ohne sonstige Hilfsmittel durchführen. Bewusstes, achtsames Atmen erhöht den Serotoninspiegel im Gehirn, was wiederum hilft, den Geist zu beruhigen, Emotionen zu regulieren und den Körper zu erholen.

Um achtsames Atmen zu üben, befolge diese Schritte:

  1. Setze dich in eine bequeme Position, entweder auf einen Stuhl oder auf den Boden.
  2. Atme durch die Nase ein und zähle dabei bis fünf.
  3. Halte deinen Atem an und zähle bis sieben.
  4. Atme langsam durch die Nase aus und zähle dabei bis neun.
  5. Wiederhole dies, bis sich dein Herzschlag beruhigt hat und du dich ruhiger fühlst.

Fällt es dir schwer, deinen Atem zu kontrollieren? Konzentriere dich auf das Ausatmen. Das kann dir bei der Tiefatmung helfen.

STRESSABBAU DURCH EINE SCHMETTERLINGSUMARMUNG

Die Schmetterlingsumarmung - manchmal auch als Umarmung der Selbstliebe bezeichnet - ist eine einfache Selbstberuhigungstechnik, die du jederzeit anwenden kannst, wenn du dich gestresst, unruhig oder getriggert fühlst.

Diese Übung ist ganz einfach:

  • Nimm zunächst eine bequeme Position ein, entweder im Sitzen oder im Liegen.
  • Verschränke die Arme vor dem Brustkorb und lege die Fingerspitzen auf dein Schlüsselbein, deine Schultern oder deine Arme.
  • Als Nächstes tippst du sanft auf deine Arme, wobei du die Seiten abwechselst. Atme dabei ein und aus. Klopfe so lange, wie du es brauchst.
  • Wenn sich die Übung gut anfühlt, kannst du deine Hände ruhen lassen und deine Aufmerksamkeit wieder dem gegenwärtigen Moment zuwenden.

Eine Videoanleitung für die Schmetterlingsumarmung findest du hier.

KRISENKARTE ERSTELLEN

Eine Krisenkarte ist ein hilfreiches Hilfsmittel, wenn du dich getriggert fühlst. Wenn du sie im Voraus erstellst, kannst du Maßnahmen planen, Menschen anrufen und positive Affirmationen sagen, die du dir in Zeiten emotionaler Unruhe sagen kannst.

Befolge die folgenden Schritte, um deine eigene Krisenkarte zu erstellen, oder klicke hier, um eine Vorlage für eine Krisenkarte zu erhalten, die du am Computer ausfüllen und dann zu Hause ausdrucken kannst.

  1. Nimm einen Stift und ein kleines Blatt Papier oder eine Notizkarte - wir empfehlen ein Blatt mit den Maßen 7×10 cm, das leicht in eine Handtasche oder dein Portemonnaie passt.
  2. Schreibe drei Dinge auf, die du tun kannst, wenn du in einer emotionalen Krise steckst (z. B. achtsam atmen, dich auf deine Sinne konzentrieren, spazieren gehen usw.).
  3. Nenne drei Personen, die du in diesen schwierigen Momenten anrufen kannst (z. B. eine/n Freund/in, ein Familienmitglied, eine/n Partner/in, eine/n Therapeut/in usw.).
  4. Schreibe kurze Antworten auf die folgenden Fragen auf:
    1. Was brauchst du in diesem Moment von anderen?
    2. Was kann die Person, die du anrufst, für dich tun?
    3. Was sollte die Person, die du anrufst, VERMEIDEN?
  5. Schreibe eine positive Aussage über dich, von der du weißt, dass sie dich aufmuntern kann.

Der Umgang mit Triggern ist eine Herausforderung, und leider macht eine Welt voller Technologien, die dich jeden Moment aus der Bahn werfen kann, nicht gerade einfacher. Aber durch aufmerksame Selbstreflexion und sorgfältige Planung kannst du lernen, Trigger zu erkennen und zu unterbrechen, wenn sie auftreten.

Das Stigma sexuellen Kindesmissbrauchs und wie wir es bekämpfen können

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Das Stigma sexuellen Kindesmissbrauchs und wie wir es bekämpfen können

Ich bin der Meister meines Los´, Ich bin der Captain meiner Seel’. 

Auf deinem Weg zur Heilung begegnest du vielleicht Menschen, die auf unangemessene oder sogar verletzende Weise auf deine Erlebnisse reagieren. Diese Reaktionen, ob beabsichtigt oder nicht, können dazu führen, dass du dich verunsichert, bloßgestellt oder entmutigt fühlst. Du könntest dich verurteilt oder kritisiert fühlen. Solch eine schmerzhafte Reaktion kann zu einem Hindernis auf deinem Weg zur Heilung werden und dazu führen, dass du dich fragst, ob du deine Geschichte überhaupt noch mit anderen teilen solltest.

So schädlich bestimmte Reaktionen auch sein mögen, das Stigma, das mit sexuellem Kindesmissbrauch verbunden ist, definiert dich NICHT und bestimmt nicht deinen Weg als Betroffene/r.

Was ist ein Stigma und wie entsteht es? 

Ein Stigma ist, wenn eine Person oder eine Menschengruppe einer anderen Person oder Menschengruppe eine negative Konnotation zuweist, die auf bestimmten Überzeugungen, Perspektiven oder Vorurteilen beruht.

Es gibt viele Faktoren, die die Haltung einer Person gegenüber sexuellem Kindesmissbrauch beeinflussen können. Es kann sein, dass eine Person ihre eigenen Traumata noch nicht verarbeitet hat, dass sie nicht weiß, wie man richtig auf das Thema reagiert, oder dass sie von anderen kulturellen Mustern beeinflusst wurde. Auch wenn die Reaktion von jemandem gut gemeint ist, kann sie dennoch unangebracht sein und dazu führen, dass du dich entmutigt oder sogar getriggert fühlst.

Wenn du dich von den Reaktionen anderer auf deine Offenlegung oder von anderen Botschaften in den Medien oder der Öffentlichkeit betroffen fühlst, bedeutet das nicht, dass du schwach, unsicher oder machtlos bist. Es bedeutet nicht, dass du schlecht ausgerüstet bist oder auf deinem Weg zur Heilung einen Rückschritt machst. Tatsache ist, dass du stark, handlungsfähig und resilient bist. Dass du überlebt hast, hier bist und dies liest und dich deinen Dämonen stellst, ist ein Beweis für deinen Mut und deine Stärke. Du bist ein Vorbild für Resilienz und ein/e starke/r Krieger/in, der/die sich entscheidet, sich dem Trauma der Vergangenheit zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen.

Aber egal, wo du dich auf deinem Heilungsprozess befindest, die Ignoranz anderer kann dennoch sehr schmerzhaft sein. Diese Art von Fehlinformationen begegnet dir nicht nur in den Reaktionen anderer, sondern auch in Beiträgen in den sozialen Medien, in der Berichterstattung, in öffentlichen Gesprächen, in den Medien usw. Diese verletzenden und triggernden Botschaften rühren von den Stigmata her, die den sexuellen Missbrauch jahrelang umgeben haben. Diese Stigmata haben zu veralteten und fehlgeleiteten Wahrnehmungen oder kulturellen Mythen geführt. Diese kulturellen Vorurteile („sie hat es so gewollt“, „männliche Leidenschaften sind unkontrollierbar“, „Jungs können nicht sexuell missbraucht werden“) und ihre problematischen Auswirkungen wurden erstmals in den 1970er Jahren von Soziologen und Feministen aufgegriffen. 1975 stellten mehrere Forscher die These auf, dass kulturelle Mythen über sexuellen Missbrauch dazu dienen, unangemessene Aggressionen und toxische Verhaltensweisen zu rechtfertigen, zu verharmlosen und sogar aufrechtzuerhalten.1

Diese Mythen beeinflussen auch heute noch unsere Kultur. Sie können z. B. bestimmte Barrieren oder Vorurteile im Justizsystem verstärken, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Betroffenen nicht geglaubt wird oder Täter/innen straffrei ausgehen. Diese Fehlinformationen können auch zu einer unwissenden oder abweisenden Reaktion auf die Offenlegung eines Missbrauchsfalles, einem fehlgeleiteten Facebook-Beitrag, einer sensationsheischenden Nachricht über falsche Anschuldigungen oder einer schädlichen Darstellung von Familienbeziehungen in einer Fernsehsendung beitragen.

Eine der schlimmsten Auswirkungen des Stigmas von sexuellem Missbrauch ist, dass Betroffene sich nicht trauen, ihren Missbrauch zu teilen und Hilfe zu suchen, vor allem aus Angst darüber, wie andere reagieren.2 Wenn du aber deine Geschichte und deine Resilienz teilst, schenkst du den schweigenden Betroffenen Hoffnung und Ermutigung. Durch dein Beispiel werden sich andere sicher und ermutigt fühlen, ihr Schweigen zu brechen und Hilfe zu suchen, ungeachtet der Kritik, der sie ausgesetzt sein könnten.

Natürlich bedeutet die Tatsache, dass solche Stigmata immer noch existieren, nicht, dass sie von allen akzeptiert oder verstärkt werden. Dank der Bemühungen von Betroffenen, Unterstützern von Betroffenen, Therapeuten, Forschern, Gesetzgebern und Hilfsorganisationen werden immer mehr Fortschritte gemacht, da das Bewusstsein und die Aufklärung über sexuellen Missbrauch zunehmen.

Auch wenn falsche Meinungen und Fehlinformationen schmerzhaft sein können, gibt es Möglichkeiten, wie du sie auf deinem Weg zur Heilung bekämpfen kannst.

1.

NUTZE STABILISIERUNGSTECHNIKEN, WENN DU GETRIGGERT WIRST. 

2.

RECOGNIZE THAT ANOTHER'S HURTFUL REACTION IS ABOUT THEM, NOT YOU.

3.

SUCHE DIR EMOTIONALE UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN, DENEN DU VERTRAUST.

4.

HALTE DEINE ERFAHRUNGEN IN EINEM TAGEBUCH FEST.

5.

LERNE ANDERE PERSPEKTIVEN KENNEN.

Wenn du wirklich neugierig auf ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Sichtweise in Bezug auf sexuellen Missbrauch bist, scheue dich nicht, tiefer zu forschen. Suche nach weiteren Informationen aus seriösen Quellen, wie Forschungsstudien, wissenschaftlichen Artikeln oder Büchern von Fachleuten auf dem Gebiet. Vielleicht möchtest du auch mit einer/m Therapeut/in oder dem/der Gruppenleiter/in einer Selbsthilfegruppe sprechen. Es kann sogar hilfreich sein, deinen Therapeuten oder deine Therapeutin nach bestimmten Stigmata zu fragen, damit du sie und ihre Auswirkungen besser erkennen kannst. Wenn du dir über bestimmte Stigmata oder Mythen im Klaren bist, kannst du auch besser planen, wie du darauf reagierst, wenn du ihnen in Zukunft begegnest. Rüste dich mit so viel Wissen aus, wie du brauchst - sei es für deinen eigenen Seelenfrieden, um andere aufzuklären oder beides.

6.

DISTANZIERE DICH VON TOXISCHEN UMGEBUNGEN.

7.

VERGISS NICHT, DASS DU DIE KONTROLLE ÜBER DEINE EIGENE LEBENSGESCHICHTE HAST.

Verletzende Worte und Reaktionen können uns manchmal tief in der Seele treffen oder sogar triggern. Aber sie definieren uns nicht und haben nicht die Macht, uns von unserem Weg abzubringen. Unabhängig von gesellschaftlichen Stigmata oder ignoranten Meinungen kannst du deine Geschichte selbst bestimmen. Du kannst selbst bestimmen, wohin sie führt und wie sie enden soll. Die Schriftstellerin Rebecca Scritchfield vergleicht die Erfahrungen des Lebens mit einer Autoreise. „Du fährst das Auto. Du bestimmst die Geschwindigkeit, kontrollierst das Gaspedal und die Bremsen und wählst die Straßen, die du auf deiner Reise einschlägst.“3 Die Annahmen, Vorurteile und Missverständnisse anderer können dich dazu bringen, auszuweichen oder langsamer zu fahren. Aber sie können dich nicht von deinem Weg abbringen. Die Negativität anderer kann dich nicht daran hindern, ein Leben voller Hoffnung und Positivität zu führen.

Fazit

Ja, es gibt immer noch Stigmata, die den sexuellen Missbrauch von Kindern umgeben. Und sie können Fehlinformationen, überholte Stereotypen und falsche Reaktionen aufrechterhalten, aber sie können dir nicht deinen Mut, deine Widerstandskraft und deine Stärke nehmen. So entmutigend stigmatisierte und fehlgeleitete Ansichten auch sein mögen, sie können deine Stimme nicht zum Schweigen bringen. Das Stigma, das sexuellen Missbrauch umgibt, bröckelt und wird weiter bröckeln, ein Gespräch nach dem anderen. Wir alle, und das heißt auch du, haben die Macht, das zu erreichen.

Über den Autor

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Breeann Allison

Strategieberaterin der Forschungsabteilung und Programmentwicklung
Breeann kam Ende 2018 als Bildungskoordinatorin zu Saprea. Sie hat einen Bachelor of Arts in englischer Literatur mit dem Nebenfach Lektorat von der Brigham Young University. Derzeit arbeitet sie als Mitglied des Forschungs- und Programmentwicklungsteams und als Co-Leiterin des Saprea Healing Webinars. Sie ist außerdem die Autorin des Saprea Arbeitsbuchs Hoffnung wiederfinden und Mitautorin von Warum fühle ich mich immer noch so? Ändere dein Verhältnis zum Trauma sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie arbeitete sieben Jahre lang im Verlagswesen, zuerst als Lehrplanentwicklerin bei Gibbs Smith Education und dann als Redakteurin bei FranklinCovey. In ihrer Freizeit schreibt sie gerne Belletristik, verwöhnt ihre Nichten und Neffen und verteidigt die Wichtigkeit des Oxford-Kommas.

Das Saprea Retreat ist für dich. Ja, ich spreche mit dir!

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Das Saprea Retreat ist für dich. Ja, ich spreche mit dir!

Gast-Blogbeitrag von Chris Yadon, Geschäftsführer von Saprea

Wir stehen bei Saprea vor einer interessanten Herausforderung. Wir haben unsere Dienstleistungen für eine bestimmte Zielgruppe von Frauen entwickelt, aber diese Frauen denken oft, dass unsere Dienstleistungen für jemand anderen sind.

Lass mich das erläutern. Als wir mit der Planung des Saprea Retreats begannen, wollten wir vor allem einen Ort für die „vergessenen Betroffenen“ schaffen - die Frau, der es im Leben gut geht; die Frau, die herausgefunden hat, wie sie mit ihrem Missbrauch umgehen kann; die Frau, die gut funktioniert; aber die Frau, die immer noch, oft schwer, von dem betroffen ist, was vor so vielen Jahren passiert ist.

Wir wollten dieses Retreat, weil es viele Angebote für Frauen in Krisen gibt, aber so gut wie nichts für die resiliente Frau, die einen Weg gefunden hat, mit der Krise fertig zu werden, aber immer noch viele Folgen des Missbrauchs verspürt. Wir wissen, dass sie immer noch mit den Auswirkungen ihres Missbrauchs zu kämpfen hat und sich trotz ihrer enormen Anstrengungen immer noch zerbrochen fühlt.

Oft hören wir von Teilnehmerinnen, dass sie sich fast nicht beworben hätten, weil sie das Gefühl hatten, dass der Platz an jemand anderen gehen sollte, an jemanden, der es mehr „verdient“. Wir hören Aussagen wie:

  • „Mir geht's gut. Es soll lieber jemand anderes teilnehmen, der es wirklich schlecht geht.“
  • „Mein Missbrauch war nicht so schlimm wie bei anderen. Ich will ihnen den Platz nicht wegnehmen.“
  • „Ich habe den Missbrauch hinter mir gelassen. Hilf lieber jemandem, der immer noch Schwierigkeiten hat.“

Wir bei Saprea wollen, dass Betroffene, denen es „gut geht“, denen es „nicht so schlimm geht wie anderen“, wissen, dass unser Retreat für sie gedacht ist. Wir haben die Retreat-Erfahrung für dich entwickelt. Wir wollen dir helfen, zu heilen, anstatt zu überleben.

Im Folgenden findest du zwei Fragen, mit denen du herausfinden kannst, ob das Saprea Retreat für dich geeignet ist.

Bist du eine erwachsene Frau, die im Alter von 18 Jahren oder früher sexuell missbraucht wurde?
Kommst du im Alltag gut zurecht, spürst aber immer noch die Auswirkungen des Traumas?

Wenn die Antwort auf diese beiden Fragen „Ja“ lautet, dann sind wir für dich da. Wir wollen, dass du am Retreat teilnimmst. Du bist die Zeit, die Mittel und die Aufmerksamkeit wert.

Egal, wo du dich auf deinem Weg zur Heilung befindest - am Anfang, in der Mitte oder kurz vor dem Ende - wir sind sicher, dass unser Programm wertvoll für dich sein wird.

Wenn du also das nächste Mal daran zweifelst, ob das Saprea Retreat etwas für dich ist, hoffen wir, dass eine kleine Stimme in deinem Kopf sagt: „Ja! Das Retreat richtet sich speziell an mich.“

Über den Autor

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Chris Yadon

Geschäftsführer
Chris Yadon ist Managing Direktor von Saprea und verantwortlich für die Geschäftsführung von Saprea in Utah und Georgia. Yadon hat die meiste Zeit seiner beruflichen Laufbahn im Management von Start-ups verbracht, mit besonderem Schwerpunkt im Betrieb, Marketing und Vertrieb. Seit er 2015 zu Saprea kam, hat Yadon wertvolle Fähigkeiten in die Organisation eingebracht und engagiert sich für die Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch. Sein Fachwissen konzentriert sich darauf, das Bewusstsein für diese Epidemie zu schärfen und die Öffentlichkeit über die besten Präventionsmethoden und die Angebote zum Heilen für Betroffene aufzuklären. Yadon ist auf mehreren regionalen und nationalen Medienplattformen zu sehen, wo er oft als Vordenker und Experte gefragt ist.

Sexuelle Erregung während des Missbrauchs und die Scham der Betroffenen

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Sexuelle Erregung während des Missbrauchs und die Scham der Betroffenen

Denk an das letzte Mal, als du dich zum Essen hingesetzt hast. Vielleicht hast du es endlich geschafft, eine Mittagspause auf der Arbeit zu machen oder du bist nach Hause gekommen und hast mit deiner Familie zu Abend gegessen. Nachdem du mit dem Essen fertig warst, hast du wahrscheinlich überlegt, ob es für deinen Körper ein guter Zeitpunkt war, das Essen zu verdauen, oder? Du hast dir bestimmt gedacht: „Ich glaube, ich verdaue mein Essen lieber später. Ich habe jetzt einfach keine Zeit, ich werde es auf später verschieben.“ Moment, so war es aber nicht!

Warum eigentlich? Weil dein Körper viele Dinge ohne Nachdenken von allein regelt. Wenn du isst, beginnt dein Körper sofort mit der Verdauung deiner Nahrung und liefert dir Nährstoffe und Energie. Das ist ein natürlicher, physiologischer Prozess.

Sexuelle Erregung ist eine natürliche körperliche Reaktion 

Das Gleiche gilt für die sexuelle Erregung: Sie ist ein natürlicher Prozess in unserem Körper. Ellen Bass und Laura Davis erklären: „Unsere Körper sind dafür geschaffen, auf Stimulation zu reagieren. Wenn sie durch sexuelle Berührungen stimuliert werden, ist unsere gesamte Körperchemie darauf ausgerichtet, Freude zu erzeugen. Das sind natürliche körperliche Reaktionen, über die wir keine Kontrolle haben.“1.

Dennoch empfinden Betroffene immer noch Scham und Schuldgefühle, wenn sie während des Missbrauchs sexuell erregt waren, und diese Scham kann sich auf gegenwärtige Beziehungen und Erfahrungen auswirken. Eine Betroffene sagte zum Beispiel:

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich während des Missbrauchs sexuell erregt war. Danach war ich so wütend auf mich, schämte mich und ekelte mich vor mir selbst. Wenn ich jetzt mit meinem Mann intim bin, erstarre ich, als wolle ich verhindern, dass ich beim Sex Vergnügen empfinde. 2

Der Missbrauch kann bei Betroffenen verwirrende und widersprüchliche Reaktionen hervorrufen. Einerseits wolltest du schreien oder weinen, damit der Missbrauch aufhört. Andererseits hat dein Körper möglicherweise angenehme Empfindungen erlebt.

Eine natürliche Reaktion ist kein Grund zur Scham 

Eins solltest du wissen: Wenn du während deines Missbrauchs sexuell erregt warst oder Vergnügen empfunden hast, bedeutet das auf keinen Fall, dass du dem Geschehen zugestimmt hast oder es genossen hast. Du hast den Missbrauch nicht ermutigt. Genauso wenig bedeutet es, dass sexuelle Lust etwas Schlechtes ist. Einfach ausgedrückt: Wenn du Erregung oder einen Orgasmus erlebt hast, bedeutet das, dass dein Körper das getan hat, wofür er gedacht ist. Eine andere Betroffene sagte: „Ich musste anerkennen und begreifen, dass ich nicht erregt war, weil ich es mochte. Mein Körper hat auf die Berührung reagiert. Mehr nicht.“1

Sex, Intimität, Vertrauen und Verrat sind für Betroffene auf komplizierte und verwirrende Weise miteinander verbunden. Diese Zusammenhänge zu entwirren, erfordert Zeit und Arbeit, aber es kann dich vielleicht beruhigen zu wissen, dass die natürlichen Reaktionen deines Körpers genau das sind - natürlich. Du brauchst dich nicht dafür zu schämen, dass dein Körper deine Nahrung ohne deine Erlaubnis verdaut, ebenso wenig musst du dich für andere natürliche Reaktionen deines Körpers schämen.

Kintsugi: Der Wert einer zerbrochenen Schale

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Kintsugi: Der Wert einer zerbrochenen Schale

Die Legende Kintsugis

Eine japanische Legende besagt, dass ein mächtiger Shogun Krieger seine Lieblingsteeschale zerbrach und sie zur Reparatur fortschickte. Als er sie zurückerhielt, wurde seine geliebte Keramikschale durch grobe Metallklammern zusammengehalten. Obwohl er die Teeschale noch gebrauchen konnte, war der Shogun Krieger bitterlich enttäuscht. In der Hoffnung, dass er die einst prächtige Teeschale zu ihrer originellen Schönheit wiederherstellen könnte, bat er einen Kunsthandwerker, eine ästhetisch ansprechendere Methode zu entwickeln.

Der Handwerker probierte eine neue Technik aus, die sowohl, die Schönheit der Schale hervorheben als auch reparieren sollte. So fügte er jede Scherbe der Keramik mit einem mit Gold vermischten Lack wieder zusammen. Als der Shogun-Krieger die Schale zurückerhielt, liefen feine Goldstreifen durch die gesamte Teeschale, wo die Einrisse einst verliefen. Sie erzählten nun eine Geschichte und der Shogun-Krieger erkannte, dass sie ihren Wert verstärkte. Diese Reparaturmethode wurde daraufhin als Kintsugi bekannt

Kintsugi, was grob übersetzt „Goldverbindung“ bedeutet, ist die japanische Philosophie, dass der Wert eines Objekts nicht in der Schönheit seiner originellen Form liegt, sondern in dem Prozess der aufwendigen Restauration, die der Keramik einen unschätzbaren Wert verleiht. Diese „Unvollkommenheiten“ sollten nicht verborgen, sondern respektiert und gewürdigt werden.

Eine eindrucksvolle Illustration von Kintsugi findest du im folgenden Video:

So wie die Kintsugi-Schale werde auch ich neu geboren.
—Janet, ehemalige Teilnehmerin des Saprea Retreats

Kintsugi und Du

Du magst jetzt vielleicht denken, das ist eine schöne Erzählung, aber was hat das bitte mit mir zu tun? Stell dir vor, dein Leben ist wie eine Keramikschale. Die guten Erfahrungen in deinem Leben, gleichen dem Polieren der Schüssel, wenn jedoch schlechte Ereignisse geschehen, zerbricht die Schale Stück für Stück. Der sexuelle Missbrauch in der Kindheit würde in diesem Beispiel zu erheblichen Sprüngen und Schäden in der Schale führen. Das daraus entstehende Trauma kann das Gefühl hinterlassen, dass die Schale komplett auseinandergebrochen ist. Vielleicht hast du verschiedene Methoden zur Bewältigung deines Traumas gefunden, die es dir bis jetzt ermöglicht haben, funktionsfähig durch das Leben zu gehen. Du hast sicherlich das Gefühl, dass du dein volles Potenzial jedoch nicht entfalten kannst. Mit Kintsugi ist jeder Schritt, den du auf dem Weg zur Heilung machst, so, als würdest du die Scherben erneut mit Gold zusammenfügen. Durch diesen Prozess kannst du dich erneut wohl und vollständig fühlen.

Das Trauma aus deiner Vergangenheit kann zwar nicht geändert werden, aber es kann so aufgearbeitet werden, dass es dein Leben nicht mehr dominiert. Vielleicht trägst du tiefe Wunden in dir, die bestätigt und geheilt werden müssen, damit du vorwärts gehen kannst. Mithilfe der richtigen Informationen, Hilfsmittel und Unterstützung ist es nicht nur möglich, sondern sehr wahrscheinlich, dass du ein positives, produktives und selbstbestimmtes Leben führen kannst. Wenn du lernst, wie dein Gehirn auf das Kindheitstrauma reagiert, kannst du damit beginnen, die Scherben wieder zusammenzusetzen.

Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Gelegenheit, Kintsugi auszuprobieren. Meine Schale ist eine ständige Erinnerung daran, dass ich trotz meiner Schäden heute schöner und stärker bin als je zuvor. Ich muss die Scherben wieder zusammensetzen.
—Siobhan, ehemalige Teilnehmerin des Saprea Retreats
Image

Das Saprea Retreat und Kintsugi 

Eine der ersten Aktivitäten, an denen die Teilnehmerinnen beim Saprea Retreat teilnehmen, ist die Präsentation von Kintsugi. Sie nehmen eine Keramikschale und zerbrechen sie selbst. Anschließend nehmen sie die Scherben und kleben sie vorsichtig mit Epoxidharz, der mit goldfarbenem Pulver vermischt ist, wieder zusammen. Es braucht etwas Geduld, ein bisschen Übung und die Bereitschaft, es immer wieder zu versuchen, um die Teile wieder zusammenzufügen. Das kann für Betroffene eine unglaublich prägende Aktivität sein und ist eine gute Basis, um den Weg zur Heilung zu beginnen oder fortzusetzen.

Als Metapher hat Kintsugi für jede Betroffene, die an der Aktivität teilnimmt, eine andere Bedeutung. In manchen Fällen steht die Schale für ihre Kindheit. Für andere stehen die Scherben für ihr gebrochenes Vertrauen. Die Art und Weise, wie Kintsugi auf deinen Weg zur Heilung angewendet werden kann, ist so individuell wie jede/r Betroffene selbst. Nutze diese Gelegenheit, um darüber nachzudenken, was die Metapher des Kintsugi für dich bedeuten kann und wo du dich auf deinem Weg zur Heilung befindest.

Das Kintsugi-Projekt hat meine Perspektive geändert. Es hat mir gezeigt, dass das, was einmal kaputt war, wieder repariert werden kann und dadurch zu etwas Besonderem wird.
—Stephanie, ehemalige Teilnehmerin des Saprea Retreats

Dein persönliches Kintsugi 

Wir hier bei Saprea verstehen, dass es aufgrund der Scham und des Stigmas, das sexuellen Missbrauch oft umgibt, schwierig sein kann, deine Erfahrungen anzuerkennen oder darüber zu sprechen. Es kann viele Gründe geben, die dich davon abhalten, dein Trauma zu behandeln und das Heilen anzustreben, dass du verdienst, aber wenn du dich deiner Vergangenheit nicht stellst, riskierst du, dass sie dich gefangen hält.

Wunden und Heilen sind Teil deiner Geschichte - ein Teil dessen, wer du bist. Egal, was du erlebt hast, dein Weg kann etwas Wunderbares sein. Die Tatsache, dass du missbraucht wurdest, wird nicht gefeiert, aber wir feiern die wunderbare Person, die du bist und zu der du dich weiterentwickeln wirst, wenn du deine persönliche Kintsugi-Version erschaffst.

Die genannten Zitate stammen von Betroffenen auf unserer Seite "Faces of Survivors", auf der Betroffene über ihren Weg zur Heilung berichten. Um deine heilsamen Erfahrungen als Betroffene zu teilen, klicke hier.

Es besteht Hoffnung nach sexuellem Missbrauch durch Geschwister 

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Es besteht Hoffnung nach sexuellem Missbrauch durch Geschwister 

Ein sehr kleiner Schlüssel kann ein großes Tor öffnen.

—Charles Dickens

„Vista Balboa Krisenzentrum, hier spricht Katie. Wie kann ich Ihnen heute helfen?“

Mit einem solchen Anruf hatte ich an einem sonnigen Donnerstagnachmittag nicht gerechnet, als ich meine Schicht im Krisenzentrum arbeitete. Obwohl ich schon viele Geschichten von Erwachsenen gehört hatte, die als Kinder traumatisiert worden waren, war der tiefe Schmerz, den ich bei der Person am anderen Ende der Leitung spürte, besonders herzzerreißend. Sie hatte schweren sexuellen Missbrauch durch einen Geschwisterteil erlebt, und heute war es das erste Mal seit über 30 Jahren, dass sie jemandem davon erzählte.

Als wir über die Erfahrungen dieser Person sprachen, äußerte sie tiefe Verwirrung und Scham über den Missbrauch, über ihr Geschwisterkind und vor allem über sich selbst. Zögernd beschrieb sie, dass sie sowohl gegenüber dem Missbrauch als auch gegenüber ihrem Geschwisterkind gegensätzliche, widersprüchliche und verwirrende Gefühle empfand. Als die Betroffene später in ihrer Kindheit erfuhr, dass es absolut tabu war, mit Geschwistern sexuellen Kontakt zu haben, hatte sie das Gefühl, dass sie für das Geschehene verantwortlich war. Das hatte sie in den langen, einsamen Jahren seit ihrer Kindheit davon abgehalten, Hilfe zu suchen. Sie kämpfte ständig mit Fragen der Machtsituation und des Gleichgewichts in ihrer Beziehung und hatte enorme Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen. Sie hatte in über 30 Jahren noch nie eine feste Beziehung geführt.

Wenn du sexuellen Missbrauch unter Geschwistern erlebt hast, bist du nicht allein.

Auch wenn es zahlreiche praktische Ressourcen gibt, die du nutzen kannst, um von sexuellem Missbrauch durch Geschwister zu heilen, kann die Erkenntnis, dass du nicht allein bist und dass deine Erfahrungen valide sind, ein wichtiger erster Schritt sein. In diesem Beitrag möchte ich dich ein Stück weit begleiten, indem ich dir von einigen Erfahrungen erzähle, die Betroffene von sexuellem Missbrauch unter Geschwistern teilen.

Ambivalenz

Ambivalenz, also zwiespältige, widersprüchliche Gefühle gegenüber jemandem oder etwas, ist bei Betroffenen von sexuellem Kindesmissbrauch eine häufige Erfahrung - vor allem bei denen, die Missbrauch durch ein Geschwisterkind erlebt haben. So wie das Wetter gleichzeitig regnerisch und sonnig sein kann, sind Menschen in der Lage, mehrere Gefühle zugleich zu empfinden - auch solche, die gegensätzlich erscheinen, wie Liebe und Hass.

Diese Gefühle können sehr verwirrend oder isolierend sein. Für viele können diese widersprüchlichen Gefühle zu zusätzlichen Schuldgefühlen führen, wenn sie positive Gefühle gegenüber dem Missbrauch oder ihren Geschwistern haben. Daniela* z. B. wollte unbedingt, dass ihr Stiefbruder sie mag, weshalb sie bereitwillig auf seine missbräuchlichen und demütigenden Forderungen einging. Als Erwachsene ist Daniela wütend und gekränkt über die verletzenden Handlungen ihres Stiefbruders und fühlt sich hintergangen. Andererseits sehnt sie sich immer noch nach seiner Anerkennung und ringt mit dem Gefühl, dass der Missbrauch ihre Schuld war, weil sie nachgegeben und nie darum gebeten hat, dass er aufhört. Danielas Zwiespalt gegenüber ihrem Bruder und ihre Selbstzweifel machten es ihr viele Jahre lang schwer, Hilfe zu suchen oder mit jemandem über den Missbrauch zu sprechen.

Manche Betroffene empfinden diese Ambivalenz gegenüber ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen, manchmal sogar intensiver als gegenüber ihren Geschwistern. Obwohl sexueller Missbrauch durch Geschwister auch in Familien mit aufmerksamen und liebevollen Eltern vorkommen kann, ringen viele Betroffene mit ihren Gefühlen gegenüber den Eltern, die vielleicht abwesend waren, mit ihren eigenen Beziehungsproblemen beschäftigt waren, einige Geschwister gegenüber anderen bevorzugten oder schlecht reagierten, als der Missbrauch ans Licht kam. Die Forschung zeigt, dass es selbst normalen Eltern schwerfällt, angemessen einzugreifen, wenn es zu Missbrauch zwischen ihren Kindern kommt. Wenn keine angemessenen Maßnahmen ergriffen werden, kann dies bei dem betroffenen Kind Verbitterung und Schmerz auslösen.1

Charlottas* Eltern waren z. B. den Großteil ihres Lebens ein großartiges Beispiel für Liebe und Fürsorge, aber kehrten den Missbrauch von Charlotta unter den Teppich, weil sie meinten, dass es zu viel Unruhe in der Familie verursachen würde. Infolgedessen fühlt sich Charlotta von ihrer Familie sowohl geliebt als auch ungeliebt, und diese Ambivalenz verunsichert sie im Umgang mit ihrer Familie.

Da der Körper automatisch auf bestimmte Sinneseindrücke oder Situationen reagiert, sind viele Betroffene verwirrt darüber, wie ihr Körper auf den Missbrauch reagiert hat, und können auch im Erwachsenenalter noch sexuelle Gedanken oder Fantasien in Bezug auf diese Erfahrungen haben. Dies kann zu einem konfliktreichen Verhältnis zu körperlicher Intimität und zu Schamgefühlen führen. Manche Betroffene haben auch das Gefühl, dass ihr Körper positiv auf die sexuellen Berührungen reagiert hat und sie den Missbrauch mochten oder verdient haben - Keiner verdient es, missbraucht zu werden.

Wenn du widersprüchliche oder ambivalente Gefühle gegenüber deinem Missbrauch, deinem Geschwisterteil, deiner Familie oder sogar dir selbst hast, bist du nicht allein. Du bist weder gut noch schlecht, weil du bestimmte Gefühle oder Reaktionen hast, und diese Gefühle und Reaktionen bestimmen nicht, wer du bist. Du kannst hier mehr über deine Emotionen erfahren, ein Gespräch mit einem ausgebildeten Therapeuten kann dir helfen, deine Erfahrungen besser zu verstehen und aufzuarbeiten.

Macht und Kontrolle 

Sexueller Missbrauch unter Geschwistern entwickelt sich oft im Laufe der Zeit. Was in manchen Situationen als nicht missbräuchliches Spiel beginnt, kann zu Missbrauch eskalieren, vor allem wenn Zwang, Macht oder Gewalt zu bestimmenden Merkmalen werden. Johannes* wurde von seinem älteren Bruder sexuell missbraucht, nachdem dieser Ärger mit seinen Eltern hatte und auf diese Weise die Kontrolle über ihn zurückgewann. Als Erwachsener sorgt Johannes dafür, dass er in all seinen Beziehungen derjenige ist, der die Macht und die Kontrolle hat, und wird leicht frustriert, wenn er das Gefühl hat, die Kontrolle zu verlieren. Insgeheim empfindet Johannes tiefe Scham, Verlegenheit und Verlust über seine Kindheit und die Beziehung zu seinem Bruder, die er gerne gehabt hätte, statt jene, die er hatte.

Es liegt in der Natur von sexuellem Missbrauch durch Geschwister, dass die Schuld häufig zu Unrecht auf den/die Betroffene/n geschoben wird. Manche Betroffene werden von den Geschwistern (oder anderen) überzeugt, dass es ihre Schuld war oder dass sie, wie bereits erwähnt, weil ihr Körper auf eine bestimmte Weise reagierte oder weil sie sich fügten, dafür verantwortlich waren. Ähnlich wie bei Johannes ging es auch bei Andrea* um Kontrolle und Manipulation durch ihr Geschwisterkind, das Andrea ebenfalls einredete, sie sei schuld. Im Gegensatz zu Johannes findet sich Andrea in ihren erwachsenen Beziehungen in einer passiven Rolle wieder, selbst in Momenten, in denen sie versucht, sich durchzusetzen. Ihr Gefühl der Machtlosigkeit führt in intimen Momenten mit ihrem Partner oft zu Erstarrung. Ähnlich wie Johannes empfindet sie insgeheim tiefe Scham, Verlegenheit und Trauer über ihre Kindheit.

Wenn du in deinen Beziehungen oder anderen Bereichen deines Lebens mit Macht und Kontrolle kämpfst, bist du nicht allein. Deine wahre Stärke liegt in dir selbst, und du hast die Fähigkeit, zu heilen. Du verdienst es, ausgeglichene und sichere Beziehungen zu deinen Mitmenschen zu haben. Hier erfährst du mehr über Beziehungen. Du kannst auch mit einem Therapeuten, der sich auf Beziehungen spezialisiert, deine Beziehungsfähigkeiten weiter ausbauen.

Hoffnung und Vertrauen 

Hoffnung ist die Fähigkeit das Licht trotz der Dunkelheit zu sehen.

—Desmond Tutu

Stell dir vor, dass eine bestimmte Tür in deinem Haus immer wieder klemmt, wenn du sie öffnen willst. So fängst du an, eine andere Tür zu benutzen und hörst schließlich ganz auf, die Tür zu benutzen, die ständig klemmt. Wenn dein Vertrauen missbraucht wird, ist es ähnlich wie bei der klemmenden Tür. Mit der Zeit lernst du eventuell, der Person oder Institution nie wieder zu vertrauen.

Das Vertrauen, das durch ein Trauma zerstört wurde - sei es durch den Missbrauch selbst, die Reaktionen anderer oder deinen Glauben an dich selbst - kann sich anfühlen, als ob jede Tür in deinem Haus klemmt und du niemandem mehr trauen kannst. Du hast vielleicht das Gefühl, festzustecken, hilflos oder hoffnungslos zu sein, dass es zukünftig anders sein wird.

Diese Gefühle sind angesichts der Erfahrungen, die du gemacht hast, absolut verständlich. Du hast dich an deine Situation angepasst, und Misstrauen kann in vielen Fällen, in denen dir jemand schaden könnte, sehr hilfreich sein, um dich zu schützen - zumindest unter bestimmten Umständen. Verletzlichkeit würde bedeuten, dass du dich der Möglichkeit aussetzt, dass man dir wehtut. Aber verletzbar zu sein bedeutet auch, dass du Liebe, Freude und Heilung erfahren kannst.

Nie sind wir so verletzlich, wie wenn wir jemandem vertrauen - aber paradoxerweise können wir weder Liebe noch Freude empfinden, wenn wir nicht vertrauen können.

—Walter Anderson

Interessanterweise bedeutete das Wort Hoffnung ursprünglich Vertrauen. Im Laufe der Zeit hat sich die Definition von Hoffnung weiterentwickelt und bedeutet nun, dass man etwas mit Zuversicht erwartet, und - mein persönlicher Favorit - dass man einen Wunsch mit Vorfreude hegt.2

Schätze die Hoffnung. Schätze das Heilen. Vertraue darauf, dass sich die Türen öffnen, die zu Sicherheit, Heilung und Wachstum führen. Wenn du auf der Suche nach Hoffnung bist, bist du nicht allein.3

 

*Namen wurden geändert.

Wenn du in einer Krisensituation steckst oder einfach nur mit jemandem reden möchtest, kannst du (in den USA) 1-800-273-8255 anrufen, und mit einem geschulten Krisenhelfer sprechen. Die deutsche Krisenhotline ist: TelefonSeelsorge® Deutschland - Sorgen kann man teilen 0800/1110111 · 0800/1110222 · 116123.

Krisenhotline für Österreich: 142
Dargebotene Hand - Schweizer Sorgentelefon: 143

(USA) Du kannst auch eine SMS an die Nummer 741741 schicken, um mit einem geschulten Berater zu sprechen.
(Kanada: Text 686868. UK: Text 85258).

Sexuelle Belästigung im Internet

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Sexuelle Belästigung im Internet

Eva kann nicht glauben, dass ausgerechnet Daniel mit ihr gehen will, einer Siebtklässlerin mit Pickelgesicht, die seit ihrem ersten Völkerball-Spiel in ihn verknallt ist. Eva hatte noch nie einen Freund. Als Daniel ihr ein Nacktfoto von sich schickt und sie um eins von ihr bittet, lacht sie nur und schickt stattdessen ein anzügliches Emoji. Aber als Daniel ihr vorwirft, sie sei „zu verklemmt“ und nicht so locker wie andere Mädchen, mit denen er zusammen war, gibt Eva schließlich nach und schickt das Foto. Sie fühlt sich nicht wohl dabei, aber sie will nicht, dass Daniel sie als zu langweilig abstempelt und mit ihr Schluss macht. Außerdem hat sie auf dem Foto immer noch ihren BH und ihre Unterwäsche an, also ist es gar nicht so schlimm. Und okay, sie leckt zwar ein Wassereis auf dem Foto ab, aber das ist doch nur ein Scherz - genau wie die Emoji.

Eine Woche später findet Eva heraus, dass Daniel ihr Foto mit seinen Freunden aus seiner Fußballmannschaft geteilt hat. Ein paar Tage später erstellt die Freundin eines der Spieler einen Fake-Account von Eva in den sozialen Medien und verwendet das nahezu nackte Foto als Profilbild. Zahlreiche Klassenkameraden hinterlassen auf dem Profil Kommentare über ihren Körper, ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und ihr schäbiges Verhalten. Einige teilen sogar Fotos von Mitschülern, die sie attraktiver finden als Eva, und fordern andere auf, jedes Foto zu bewerten oder herabzustufen.

Eva ist völlig aufgelöst und weiß nicht, was sie tun soll. Sie will es keinem Erwachsenen erzählen, vor allem nicht ihren Eltern. Sie würden sie wahrscheinlich nie wieder auf dieselbe Weise ansehen. Vielleicht würden sie ihr sogar das Telefon wegnehmen, das Evas einzige Verbindung zu den wenigen Freunden ist, die sie noch hat. Und außerdem, ist es nicht sowieso ihre Schuld, dass sie Daniel das Foto geschickt hat? Das würde wahrscheinlich auch die Polizei sagen.

Eva fragt sich, ob all das Mobbing und die Demütigungen genau das sind, was sie verdient hat. Aus Scham und Verzweiflung beschließt sie, es niemandem zu sagen. Stattdessen täuscht sie vor, krank zu sein, um ihre Klassenkameraden in der Schule nicht mehr sehen zu müssen. Und als Daniel sie bittet, ihm ein weiteres Foto zu schicken - diesmal völlig nackt - tut sie es. Denn ehrlich gesagt ist es ein Wunder, dass er nach all dem immer noch etwas mit ihr zu tun haben will.

Technologie und die Jugend von heute

Technologie und digitale Medien sind auf der ganzen Welt zu einem festen Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Der Zugang zu Smartphones, Laptops, Tablets und anderen Internetgeräten ist weit verbreitet und spielt eine zentrale Rolle in der Bildung, Unterhaltung, Beschäftigung und sozialen Vernetzung. Das gilt besonders für Kinder und Jugendliche. Schätzungen zufolge nutzt bereits jedes dritte Kind weltweit das Internet.1 In den USA geben 95 % der Teenager an, ein Smartphone zu besitzen oder Zugang zu einem solchen zu haben. Außerdem geben 45 % der Jugendlichen an, dass sie fast ständig online sind.2

Dieser weit verbreitete Zugang bietet Jugendlichen aufregende Möglichkeiten für schulische Leistungen, Selbstentdeckung, Selbstdarstellung und soziale Kontakte. Jugendliche schreiben der Technologie, insbesondere den sozialen Medien, zu, dass sie dadurch die folgenden Aspekte ihres Lebens verbessern können:3

  • Freundschaften stärken.
  • sich über verschiedene Ansichten und Standpunkte austauschen.
  • das Bewusstsein für Anliegen schärfen, die ihnen wichtig sind.
  • Unterstützung in schwierigen Zeiten erhalten.
  • sich mit den Menschen in ihrem Leben verbundener zu fühlen.

Viele sind auch der Meinung, dass die digitale Technologie einen sicheren Raum bietet, um sich mit anderen zu treffen und mit ihnen in Kontakt zu treten, die ähnliche Interessen, Ziele und Hintergründe haben.3 Dies gilt insbesondere für Jugendliche, die sich als LGBTQ+ identifizieren und soziale und romantische Beziehungen suchen.4 Digitale Medien und Technologie können Jugendliche auch mit Informationen und Bildung in Bezug auf sexuelle Gesundheit und Entwicklung versorgen, die sonst vielleicht nicht zur Verfügung stünden, insbesondere bei einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen.5

Neben diesen zahllosen Vorteilen birgt der verstärkte Zugang zu Internetgeräten für Jugendliche auch neue Risiken. Eines dieser Risiken ist sexuelle Belästigung im Internet, wie sie Eva erlebt hat.

 

Definition von sexueller Belästigung im Netz 

Sexuelle Belästigung im Internet bedeutet, dass sexuelle Inhalte - wie Bilder, Videos oder Posts - als Waffe eingesetzt werden, um zu belästigen, auszunutzen, zu demütigen, zu bedrängen, zu nötigen oder zu bedrohen. Sie kann eine Vielzahl von unerwünschten sexuellen Verhaltensweisen umfassen und auf jeder digitalen Plattform auftreten, ist aber besonders häufig über Apps und Plattformen mit unkontrollierten Livestreams, geteilten Inhalten und Direktnachrichten (Facebook, Instagram, Snapchat, YouTube).6

Opfer von sexueller Belästigung im Netz fühlen sich oft allein gelassen, haben Angst, schämen sich und fühlen sich hintergangen und ausgeschlossen. Leider ist es aufgrund der aufdringlichen und allgegenwärtigen Online-Kommunikation schwierig, diesen Gefühlen zu entkommen, selbst in der Privatsphäre eines Schlafzimmers oder anderer vertrauter Bereiche.

Obwohl sie ein breites Spektrum an Verhaltensweisen umfasst, kann sexuelle Belästigung im Internet in vier Hauptkategorien eingeteilt werden:6

  • Nicht-einvernehmliche Verbreitung von intimen Bildern und Videos
  • Ausbeutung, Nötigung und Drohungen
  • Sexualisiertes Mobbing
  • Unerwünschte Sexualisierung

Nicht genehmigte Weitergabe von Bildern und Videos 

Ein zentrales Element dieser Art von Online-Belästigung ist der steigende Trend zum sogenannten Sexting. Sexting ist das Erstellen und Teilen von selbst erstellten Inhalten, einschließlich sexueller Bilder, Videos oder SMS.7 Das kann von expliziten Inhalten, wie Nacktfotos oder Videoclips von sexuellen Handlungen, bis hin zu teilweiser Nacktheit, erotischen Posen und anderen Formen sexueller Anspielungen reichen.

Für viele Jugendliche ist Sexting ein Mittel, um zu flirten, zu erregen, zu experimentieren und sexuelle Beziehungen und Identitäten zu erkunden. Doch selbst wenn es sich um Einverständnis zwischen zwei Teenagern handelt, bleibt die Rechtmäßigkeit dieses Einverständnisses umstritten. Vor allem Mädchen fühlen sich aufgrund geschlechtsspezifischer Normen und Erwartungen eher genötigt oder unter Druck gesetzt, mit einem Gleichaltrigen zu sexten. Sexting-bezogener Druck ist auch unter LGBTQ+-Jugendlichen verbreitet, die oft stärker auf Online-Interaktionen angewiesen sind, um ihre Sexualität zu erkunden.8

Doch selbst wenn ein Foto während einer einvernehmlichen (oder mit Einverständnis wahrgenommenen) Sexting-Interaktion zwischen zwei Personen geteilt wird, kann dieses Bild ohne das Einverständnis des Absenders an andere weitergeleitet werden. Dies wird als nicht einverständliche Weitergabe von Bildern oder als sexueller Missbrauch durch Bildmaterial bezeichnet.

Aber wieso würde ein Teenager so einen Missbrauch begehen? Einer der Gründe könnte sein, dass sie Anerkennung oder Status unter Gleichaltrigen gewinnen wollen.4 Der Wunsch, zu tratschen, sich mehr einbezogen zu fühlen und mehr an der Online-Konversation teilzunehmen, könnte sie motivieren.9 Vor allem Jungen im Teenageralter haben berichtet, dass sie an bildbasiertem sexuellen Missbrauch teilgenommen haben, um ihre Freunde zu beeindrucken, ihre Männlichkeit zu beweisen und ihre sexuellen Fähigkeiten zu demonstrieren.10

Unabhängig von Alter und Geschlecht ist es nicht ungewöhnlich, dass Jugendliche mit sexuellem Missbrauch durch Bildmaterial sorglos umgehen. In einer Studie gab zum Beispiel fast ein Viertel der Jugendlichen an, dass sie ein Sextingbild als Scherz weitergeschickt hätten. Und bei einer Stichprobe von Jugendlichen, die ein weitergeleitetes Bild erhalten hatten, sagten 72 %, sie hätten nichts unternommen.8

Ein weiteres häufiges Motiv für sexuellen Missbrauch durch Bildmaterial ist „Rache-Porno“ oder der Versuch, sich an einem Ex zu rächen, nachdem eine Beziehung endete.11 Der unerlaubte Austausch von Bildern findet jedoch nicht nur unter Liebespartnern und Expartnern statt. Er kann von einem Klassenkameraden, einem Freund, einem Bekannten oder einem Fremden begangen werden und von dem Wunsch getrieben sein, jemanden zu schädigen, zu manipulieren, zu belästigen oder zu schikanieren.

Ausbeutung, Nötigung und Drohungen 

Diese Motive sind auch in der zweiten Kategorie der sexuellen Belästigung im Internet zu finden, bei der es um Ausbeutung, Nötigung und Drohungen geht. In dieser Kategorie können Verhaltensweisen wie bildbasierter sexueller Missbrauch auch als eine Form der Erpressung eingesetzt werden, bei der das Opfer gezwungen wird, etwas zu tun, um zu verhindern, dass seine dokumentierten sexuellen Aktivitäten (egal ob echt oder vorgetäuscht) an die Öffentlichkeit gelangen. Diese Taktik der Ausbeutung ist ein Beispiel für sexuelle Erpressung (oder Sextortion).11 In solchen Fällen kann das Opfer gezwungen werden, sich an sexuellen Handlungen zu beteiligen, z. B. zusätzliche sexuelle Inhalte zu erstellen und zu teilen.

Ein Jugendlicher könnte sich z. B. gezwungen oder unter Druck gesetzt fühlen, ein Nacktfoto zu teilen, wenn die Person, die ihn belästigt, bereits private Informationen oder Inhalte besitzt, die das Opfer nicht veröffentlichen möchte. Dabei kann es sich um Details über die Sexualität des Opfers oder frühere sexuelle Erfahrungen handeln, aber auch um ein bereits vorhandenes Nacktbild oder einen Screenshot aus einem Sexgespräch. Im Szenario von Eva schickt sie Daniel ein weiteres Foto, weil sie befürchtet, dass er noch mehr von ihren privaten Unterhaltungen preisgibt, wenn sie nicht kooperiert.

In anderen Fällen wird das Opfer gezwungen, Zahlungen zu leisten oder bestimmte Gefallen zu tun, um den Erpresser zu beschwichtigen. Zusätzlich zur Veröffentlichung privater Inhalte können sie auch mit Drohungen konfrontiert werden, z. B. gehackt zu werden, „doxed“ zu werden (d. h., dass Kontaktinformationen veröffentlicht werden) oder online oder persönlich sexuelle Übergriffe zu erleiden.

Sexualisiertes Mobbing 

Während die Erpressung dazu dient, jemanden unter Zwang zu einer bestimmten Handlung zu drängen, kann sexualisiertes Mobbing ein viel breiteres Spektrum an Verhaltensweisen und Beweggründen umfassen. Bei dieser Art der Belästigung werden sexuelle Inhalte als Waffe eingesetzt, um jemanden zu demütigen, zu erniedrigen, zu entwürdigen und/oder zu diskriminieren. Das kann vom einfachen „Liken“ oder Kommentieren eines Beitrags bis hin zum Teilen von Inhalten reichen, die Belästigung und Mobbing ermutigen.

Oft geht sexualisiertes Mobbing mit Aggression und Feindseligkeit einher und kann durch den Wunsch motiviert sein, jemandem zu schaden, sich zu rächen, Vergeltung für frühere Belästigungen auszuüben oder andere aus der größeren Gruppe auszuschließen.7 Dies ist insbesondere bei Fällen der „Hassrede“ oder der Verwendung diskriminierender sexueller Begriffe gegenüber Angehörigen rassischer oder sexueller Minderheiten der Fall. Auch Cyberstalking, das Verbreiten von Gerüchten über das Sexualverhalten einer Person, das Erstellen eines falschen Profils, um sich als eine andere Person auszugeben, oder das „Outing“ der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person ohne deren Einverständnis können dazu gehören.6

Während persönliche Rachegelüste oft der Grund für diese Art von Verhalten sind, kann sexualisiertes Mobbing auch die Folge eines Witzes sein, der zu weit geht, oder einer Grenzüberschreitung, um Gleichaltrige zu beeindrucken, zu amüsieren oder von ihnen akzeptiert zu werden. Da „sexuelles Geplänkel“ ein zentraler Bestandteil vieler Flirts, Interaktionen und anderer Bindungserfahrungen unter Jugendlichen ist, kann es für Jugendliche schwierig sein, den Unterschied zwischen verspielten Witzen und gefährlicher Belästigung zu erkennen.6 Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Cliquendynamik ins Spiel kommt und ein Jugendlicher sich unter Druck gesetzt fühlt, der größeren Gruppe zu gefallen oder sie zu unterhalten. In diesen Fällen können Jugendliche auch durch den so genannten (Online Disinhibition Effect) Online-Enthemmungseffekt ermutigt werden, der sich auf Verhaltensweisen bezieht, die sie im geschützten Online-Bereich tun, aber in der Öffentlichkeit nie tun würden.

Unerwünschte Sexualisierung 

Diese fehlende Hemmschwelle kann auch zur vierten Kategorie der sexuellen Belästigung im Internet beitragen - die unerwünschte Sexualisierung. Hierbei geht es darum, jemandem unerwünschte sexuelle Inhalte im Netz zu senden. Dieser Inhalt kann ein sexualisierter Kommentar sein, der unter das Foto einer Person gepostet wird oder ein pornografisches Bild, ein Emoji, eine Nachricht, ein Scherz oder eine Aufforderung sein. Dies kann in einem privaten Bereich geschehen, z. B. als unerwünschter Annäherungsversuch in einer Direktnachricht, oder in einem öffentlichen Bereich, z. B. in einem Gruppenchat oder auf dem Social-Media-Profil einer Person.

Diese Art der Sexualisierung kann auch bedeuten, dass Inhalte über das Opfer mit anderen geteilt werden, mit der Intention, sie zu sexualisieren oder zu objektivieren. Ein Beispiel hierfür ist die Bearbeitung eines Fotos einer Person, um sie aufreizender darzustellen, und anschließend das Veröffentlichen dieses Fotos im öffentlichen Raum. Es könnte auch bedeuten, dass ein Bild von jemandem gepostet wird und sexuelle Kommentare zu diesem Bild gemacht werden und/oder andere dazu aufgefordert werden, die Attraktivität der Person zu bewerten. Mädchen sind besonders gefährdet, Opfer dieser Art von Online-Belästigung zu werden, die oft Geschlechterstereotypen, Ansprüche und Erwartungen verstärkt.6

Ähnlich wie sexualisiertes Mobbing das Ergebnis eines zu weit gehenden Witzes sein kann, kann ungewollte Sexualisierung auf fehlgeleitete Versuche zurückzuführen sein, Komplimente zu machen, zu schmeicheln oder zu flirten. Trotz dieser Absichten führt ungewollte Sexualisierung dazu, dass sich die andere Person gedemütigt, blamiert, verletzt oder objektiviert fühlt und zeigt, dass sie die eigenen Grenzen, Vorlieben und Empfindungen nicht versteht. Dies kann auch darauf zurückzuführen sein, dass solche Verhaltensweisen normalisiert werden, was dazu führt, dass das Opfer nicht ernst genommen wird oder nicht versteht, wie sich unerwünschte Sexualisierung und andere Arten von sexueller Belästigung im Internet auf das Opfer auswirken können.12

Auswirkungen sexueller Belästigung im Internet 

Solche Auswirkungen können sich auf viele Lebensbereiche eines Jugendlichen auswirken. Auf juristischer Seite kann ein Teenager, der ein selbst erstelltes sexualisiertes Foto verschickt, wegen der Verbreitung von „Kinderpornografie“ angeklagt werden. Auch andere Beteiligte, z. B. diejenigen, die die Bilder erhalten oder weiterleiten, könnten sich strafbar machen. In einigen US-Staaten kann ein Teenager, der Sexting betreibt, gleichzeitig als Täter und als Opfer angeklagt werden. Neben den rechtlichen Konsequenzen laufen Jugendliche, deren sexuelle Abbildungen oder sensible Informationen veröffentlicht wurden, auch Gefahr, von Arbeits- und Bildungschancen ausgeschlossen zu werden.5

Auf einer emotionalen Ebene kann sexuelle Belästigung im Internet das geistige und emotionale Wohlbefinden eines Jugendlichen stark beeinflussen. Die Opfer haben oft mit Gefühlen der Scham, Hilflosigkeit und Reue zu kämpfen, die in einigen Fällen so weit gehen, dass sie nicht mehr zur Schule gehen und sich ihren Mitschülern stellen wollen, wie es bei Eva der Fall war.9 Verstärkt wird die Demütigung dadurch, dass bei nicht einverständlich geteilten Inhalten oft dem Absender des Bildes die Schuld gegeben wird und nicht der Person, die es mit anderen geteilt hat.6 Infolgedessen können die Opfer vermehrt Depressionen, Angstzustände, Selbstverletzungen, Mobbing und Belästigungen in der Öffentlichkeit sowie andere Formen der Viktimisierung erleben, sei es online oder offline. Dies gilt insbesondere für Mädchen, die im Allgemeinen mehr Negativfolgen durch Sexting erfahren als Jungen.10

Jede dieser Auswirkungen kann wieder auftauchen oder hervorgerufen werden, wenn der Inhalt zu einem späteren Zeitpunkt erneut im Internet geteilt wird, was zu einer erneuten Viktimisierung führt.6

Doch trotz dieser negativen Folgen trauen sich Jugendliche oft nicht, ihre sexuelle Belästigung im Internet zu melden. Vielen ist es zu peinlich, Hilfe zu suchen, oder sie befürchten, dass sie durch das Melden der Belästigung nur noch verwundbarer werden.6 Hinzu kommt die Angst, dass sie für die erlebte Belästigung verantwortlich gemacht werden und dass Erwachsene darauf reagieren, indem sie ihren Zugang zum Internet einschränken oder ihre Geräte ganz entfernen. Diese Maßnahmen werden von den Opfern nicht nur als Bestrafung (und damit als Bestätigung ihrer Schuld) empfunden, sondern sie werden auch von ihrer wichtigsten sozialen Verbindung abgeschnitten, und dass in einer Zeit, in der sie sich ohnehin schon angegriffen und ausgeschlossen fühlen.13

Was kann ich gegen sexuelle Belästigung im Internet tun? 

Angesichts der Tatsache, dass die digitale Welt zu einem so wichtigen Bestandteil der heutigen Lebensweise geworden ist, können Eltern versuchen, die Verbindungen, Erfahrungen und Interaktionen, die ihre Kinder im Netz machen, besser zu verstehen. Sie können auch mit ihren Kindern darüber sprechen, wie sie sich sicherer in dieser digitalen Landschaft bewegen und welche Risiken und Verantwortungen mit ihrem digitalen Fußabdruck verbunden sind. Kinder meinen manchmal, dass sie die Ausnahme der Regel sind und dass die Risiken des Teilens von intimen Informationen und Fotos nicht auf sie zutreffen. Sie haben vielleicht auch ein falsches Gefühl der Unbesiegbarkeit, vor allem in Apps wie Snapchat, wo man davon ausgeht, dass alles, was man mit anderen teilt, sofort gelöscht wird, ohne dass jemand vorher einen Screenshot macht.

Parallel zur Besprechung von Risiken können Eltern mit ihren Kindern kontinuierliche, offene Gespräche über gesundes Verhalten und Beziehungen führen, sowohl online als auch offline. Dazu gehören Themen wie Gruppendruck, Grenzen, Einverständnis, Geschlechterstereotypen, gesunde Kommunikation, sexuelle Entwicklung, die Permanenz von Online-Inhalten und was unter Belästigung zu verstehen ist. Besonders hilfreich kann es sein, mit Kindern über die langfristigen Auswirkungen zu sprechen, die sexuelle Belästigung - online oder auf andere Weise - auf andere haben kann.

Eltern könnten verschiedene Szenarien durchspielen und ihre Kinder fragen, wie sie in der jeweiligen Situation reagieren würden und wie sich die anderen Beteiligten in dem Szenario fühlen würden. Forschungen haben ergeben, dass diese Art des Rollenspiels effektiver ist als die Auflistung aller Regeln und Konsequenzen.6 Angesichts der Tatsache, wie sehr die Technologie mit anderen Lebensbereichen verwoben ist, können Eltern auch erwägen, digitale Sicherheit und allgemeine Sicherheit als ein und dasselbe zu behandeln. Eltern könnten zum Beispiel die digitalen Aspekte einer Beziehung - wie SMS und den Austausch von Bildern - in jedes Gespräch mit ihren Teenagern zum Thema Romantik, Beziehung und Sexualerziehung einbeziehen.

In Fällen, in denen ein Kind oder ein Jugendlicher bereits sexuell belästigt wurde (online oder offline), ist es wichtig, dass die Eltern mit Verständnis, Mitgefühl und Unterstützung reagieren und nicht mit Scham oder Verurteilung. Die Einschränkung des Internetzugangs des/der Jugendlichen verstärkt nicht nur die Schuldzuweisung, sondern verringert auch die Wahrscheinlichkeit, dass der/die Jugendliche in künftigen Situationen zu den Eltern kommt und Hilfe sucht. Stattdessen können Eltern versuchen zu verstehen, was das Kind durchgemacht hat und welche Einzelheiten die Situation aufweist.6 Durch diese Offenheit und dieses Einfühlungsvermögen können Eltern besser auf sexuelle Belästigung im Internet reagieren, zukünftige Vorfälle verhindern und ihre Kinder ermutigen, sich ihnen anzuvertrauen, wenn doch etwas passiert.

Es gibt noch weitere Möglichkeiten, wie Eltern dazu beitragen können, die digitale Sicherheit ihres Kindes zu stärken:

  • Lehre deinem Kind die grundlegenden Merkmale einer gesunden Beziehung, wie Respekt, Einverständnis, Authentizität und Ehrlichkeit. Dazu gehört auch, Jugendlichen, vor allem heterosexuellen Jungen, zu erklären, wie wichtig es ist, Fotos von der/dem Ex aus Respekt zu löschen und jede Versuchung oder jeden Druck zu vermeiden, diese Fotos mit anderen zu teilen.
  • Erkläre dem Kind, wie Sexting eine gesunde Beziehung stören kann, besonders wenn Machtdynamik, sozialer Druck und Geschlechterstereotypen ins Spiel kommen.
  • Informiere dich über riskantes Online-Verhalten und kläre dein Kind darüber auf, wie solche Verhaltensweisen allen Beteiligten schaden können.
  • Sei ein Vorbild im Umgang mit den sozialen Medien und der Bildschirm-Zeit. 
  • Informiere dich über die Fragen, Sorgen und Neugierde deines Kindes im Zusammenhang mit Online-Interaktionen und -Verhalten.
  • Versichere deinem Kind, dass seine Sicherheit und sein Wohlergehen das Wichtigste sind - mehr als sein Ruf.

Wenn Eltern sich proaktiv mit gesunden Grenzen, Kommunikation und Einverständnis - sowohl online als auch offline - auseinandersetzen und diese vorleben, sind Kinder und Jugendliche besser darauf vorbereitet, auf gesunde Weise mit anderen in Kontakt zu treten und sichere und verantwortungsvolle Internetnutzer/innen in unserem digitalen Zeitalter zu werden.

Weitere Informationen zur digitalen Sicherheit und wie du dein Kind besser auf die Risiken im Internet vorbereiten kannst, findest du auf Thorn.orgAmaze.orgNoFiltr.org, und CommonSense Education. Wenn du oder jemand, den du kennst, von sexuellem Kindesmissbrauch betroffen ist, kannst du hier mehr über die heilsamen Ressourcen von Saprea erfahren.

Über den Autor

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Breeann Allison

Strategieberaterin der Forschungsabteilung und Programmentwicklung
Breeann kam Ende 2018 als Bildungskoordinatorin zu Saprea. Sie hat einen Bachelor of Arts in englischer Literatur mit dem Nebenfach Lektorat von der Brigham Young University. Derzeit arbeitet sie als Mitglied des Forschungs- und Programmentwicklungsteams und als Co-Leiterin des Saprea Healing Webinars. Sie ist außerdem die Autorin des Saprea Arbeitsbuchs Hoffnung wiederfinden und Mitautorin von Warum fühle ich mich immer noch so? Ändere dein Verhältnis zum Trauma sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie arbeitete sieben Jahre lang im Verlagswesen, zuerst als Lehrplanentwicklerin bei Gibbs Smith Education und dann als Redakteurin bei FranklinCovey. In ihrer Freizeit schreibt sie gerne Belletristik, verwöhnt ihre Nichten und Neffen und verteidigt die Wichtigkeit des Oxford-Kommas.

Der Schutz von LGBTQ+ Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch

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Der Schutz von LGBTQ+ Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch

Sexueller Missbrauch betrifft Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, unabhängig von ihrer Religion, Rasse, ihrem sozioökonomischen Status und ihrem Geschlecht. Obwohl jedes Kind gefährdet ist, gibt es bestimmte Bevölkerungsgruppen und Demografien, die ein höheres Risiko für sexuellen Missbrauch aufweisen; eine dieser Gruppen sind Kinder, die der LGBTQ+ Gemeinschaft angehören.

Prozentwerte und Statistiken zu sexuellem Missbrauch unter queeren Jugendlichen 

Statistisch gesehen wird jedes fünfte Kind in den USA sexuell missbraucht, bevor es volljährig wird. In einer Studie aus dem Jahr 2011 war die Wahrscheinlichkeit, sexuell missbraucht zu werden, für LGBTQ+-Jugendliche jedoch fast viermal so hoch1. Es gibt mehrere Gründe, die zu diesem erhöhten Risiko beitragen. LGBTQ+-Jugendliche kennen in ihrem sozialen Umfeld möglicherweise keine anderen Menschen mit ähnlichen sexuellen Vorlieben oder Interessen, was dazu führen kann, dass sie außerhalb vertrauter sozialer Situationen oder Gruppen nach Anschluss und Beziehungen suchen. Dies kann besonders gefährlich sein, wenn sich Jugendliche auf der Suche nach Beziehungen in Online-Plattformen wagen, da die Person am anderen Ende des Chats oder der Dating-App möglicherweise nicht diejenige ist, für die sie sich ausgibt, und stattdessen die Verletzlichkeit der sexuellen Minderheit des Jugendlichen ausnutzt. Manche Jugendliche „outen“ sich auch nicht, weil sie befürchten, von ihrer Familie oder ihren Freunden nicht länger akzeptiert zu werden. Dies führt dazu, dass sie ihre Beziehungen verheimlichen, was ihre Verletzlichkeit erhöht, da niemand weiß, mit wem sie sich treffen, und andere nicht eingreifen können, wenn es zu Missbrauchsfällen kommt.

Psychische Gesundheit und LGBTQ+ Jugendliche 

Aus der Forschung zum sexuellen Kindesmissbrauch geht hervor, dass Kinder, die mit Problemen zu kämpfen haben, anfälliger für sexuellen Missbrauch sind. Das gilt vor allem für Jugendliche, die unter psychischen Krankheiten oder Einsamkeit leiden. Das kann daran liegen, dass Jugendliche mit psychischen Problemen versuchen mit riskanten Verhaltensweisen wie dem Konsum von Drogen oder Alkohol zurechtkommen; es kann aber auch sein, dass Depressionen, Ängste oder Einsamkeit sie besonders anfällig dafür machen, missbraucht zu werden. Was auch immer der Grund ist, es ist wichtig, auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen zu achten, um sexuellen Missbrauch zu verhindern.

Und das ist ein weiterer Grund, warum unsere LGBTQ+ Kinder einem höheren Risiko für sexuellen Missbrauch ausgesetzt sind. Traurigerweise hat diese Bevölkerungsgruppe häufiger mit Depressionen, Ängsten, Einsamkeit, Isolation oder Ablehnung zu kämpfen2. Es ist sogar wahrscheinlicher, dass LGBTQ+-Jugendliche in Pflegefamilien untergebracht werden oder obdachlos sind - beides sind an sich schon große Risiken für sexuellen Missbrauch3. Tragischerweise ist die Wahrscheinlichkeit, dass LGBTQ+-Jugendliche einen Selbstmordversuch unternehmen, viermal höher als bei Gleichaltrigen4.

Erfreulicherweise bestätigt die Forschung, dass, wenn LGBTQ+-Jugendliche ein unterstützendes und sicheres Familienumfeld haben - d.h., wenn die Eltern das Kind so akzeptieren und lieben, wie es ist, und ihm einen sicheren Raum für Selbstdarstellung und Selbstentdeckung bieten -, diese Unterstützung und Sicherheit als Schutzfaktoren fungieren5; diese Jugendlichen leiden seltener unter schweren psychischen Problemen und sind eher bereit, mit ihren Eltern und ihrer Familie offen über ihre Erfahrungen mit Beziehungen und Partnerschaft zu sprechen.

Die Wichtigkeit von familiärer Unterstützung und Akzeptanz kann gar nicht hoch genug angesetzt werden, aber es kann auch eine Herausforderung für Eltern und Familien sein, zu wissen, wie sie auf ein Kind reagieren sollen, das sich outet, und manchmal werden familiäre Werte oder religiöse Überzeugungen durch die Vorstellung eines LGBTQ+ Kindes in Frage gestellt. In solchen Situationen kann es hilfreich sein, eine Beratungsstelle oder einen Therapeuten aufzusuchen, um den Familienmitgliedern bei der Kommunikation zu helfen und Sicherheit zu schaffen.

Wir schätzen die Arbeit von Encircle im Westen der Vereinigten Staaten, weil sie LGBTQ+-Jugendlichen Gemeinschaft, Unterstützung und Sicherheit bieten und gleichzeitig der ganzen Familie helfen, sich auf positive, gesunde Weise weiterzuentwickeln. Eine weitere großartige Ressource für Eltern queerer Jugendlicher ist Mama Dragons; sie bietet einen wichtigen Kurs zur Erkennung und Prävention von Selbstmord bei LGBTQ+ Jugendlichen an.

Und wenn queere Jugendliche Selbstmordgedanken haben, bietet das Trevor Project direkte Unterstützung für LGBTQ+ Jugendliche. Es kann hilfreich sein, ähnliche Zentren oder Dienste in deiner Nähe zu finden, die deiner Familie helfen können, dein LGBTQ+ Kind zu unterstützen und zu schützen.

Anzeichen sexuellen Missbrauchs 

Da LGBTQ+-Jugendliche anfälliger für sexuellen Missbrauch sind, ist es wichtig, mit ihnen über besonders riskante Situationen zu sprechen und eine offene Kommunikation zu pflegen. Sorge dafür, dass dein Kind weiß, dass es mit dir reden kann, wenn es sich unwohl fühlt oder Angst hat, oder wenn es von jemandem unter Druck gesetzt wird, etwas vor dir geheim zu halten. Wenn ihr offen über Grooming-Methoden und Annäherungsversuche redet sowie darüber, wie wichtig es ist, zu wissen, wo und mit wem sich dein Kind aufhält, und wie es ihm geht, kannst du Warnzeichen besser erkennen.

Außerdem ist es wichtig, auf Veränderungen des Schlafverhaltens oder der sozialen Aktivitäten zu achten, vor allem, wenn es plötzliche und intensive Veränderungen wie Albträume oder Dauerschlaf oder Zurückgezogenheit von Familie oder Freunden aufweist. Natürlich können diese Symptome auch mit den normalen Höhen und Tiefen der Pubertät zusammenhängen, aber es kann nicht schaden, nachzufragen, ob alles in Ordnung ist, denn dies können auch Anzeichen für sexuellen Missbrauch sein. Natürlich kann es auch körperliche Anzeichen geben (vaginale oder andere Infektionen, blaue Flecken, Wunden, Schürfwunden usw.), aber häufiger bemerken Eltern Verhaltensänderungen.

Es ist auch wichtig darauf hinzuweisen, dass sich das Anvertrauen nach sexuellem Missbrauch in der Regel ein Prozess ist. Falls du den Verdacht hast, dass etwas passiert ist, solltest du berücksichtigen, dass dein Kind vielleicht noch nicht bereit ist, darüber zu sprechen. Versichere ihm, dass es bei dir sicher ist, dass es keinen Ärger bekommen wird und dass du ihm zuhören und helfen wirst, wenn es sich entschließt, sich dir anzuvertrauen.

Ressourcen für Betroffene von sexuellem Missbrauch 

Wenn du oder jemand, den du liebst, sexuellen Missbrauch oder Gewalt überlebt hat, solltest du wissen, dass es Ressourcen gibt, die dir auf deinem Weg zur Heilung helfen können. Saprea veranstaltet Retreats, bietet ein Healing Webinar, an und unterstützt Selbsthilfegruppen die von erwachsenen weiblichen Betroffenen für Betroffene geführt werden. Wir hoffen, dass wir in naher Zukunft die finanziellen Mittel erhalten, um unsere Angebote für mehr Betroffene weltweit auszuweiten.

Da sich LGBTQ+-Jugendliche bereits ausgegrenzt fühlen, kann es unglaublich wichtig sein, nach Ressourcen für Betroffene von sexuellem Missbrauch zu suchen, die ihrer speziellen Gemeinschaft dienen. Programme wie die Connecticut Alliance to End Sexual Violence, die Wisconsin Coalition Against Sexual Assault, das Oasis Youth Center und das Boston Area Rape Crisis Center sind Beispiele dafür, wie wichtig es ist, speziell auf die LGBTQ+-Gemeinschaft zugeschnittene Angebote zu identifizieren oder anzubieten. Erkundige dich, ob es in deiner Nähe etwas Ähnliches gibt.

Aspekte der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person können das Risiko von sexuellem Missbrauch oder Gewalt erhöhen, aber das Verständnis dieses erhöhten Risikos ermöglicht es Eltern, ihr Kind besser zu schützen. Wenn du weißt, worauf du achten musst, die Kommunikation offenhältst, Unterstützung anbietest und mit deinem Kind offen sprichst, kann das den Unterschied ausmachen, um es vor sexuellem Missbrauch zu schützen. Und wenn es zu einer Situation kommt, in der es zu Missbrauch kommt, suche nach Programmen und Diensten, die Unterstützung und Hilfe beim Heilen bieten, und denke daran, dass es Organisationen gibt, die sich darauf konzentrieren, LGBTQ+-Jugendlichen (und ihren Familien) zu helfen, glücklich zu werden.

Über den Autor

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Kolene Anderson

Managerin der Forschungsabteilung und Programmentwicklung
Kolene kam im Frühjahr 2019 zu Saprea. Sie hat einen Bachelor of Science in Englisch und Literatur von der Utah Valley University und einen Master in Rhetorik und Komposition von der Northern Arizona University. Kolene ist es wichtig, einen Unterschied in der Welt zu bewirken, daher ist es ihr eine große Ehre, für eine Organisation zu arbeiten, die das Bewusstsein für das Problem von sexuellem Kindesmissbrauch schärft. Bevor sie zu Saprea kam, unterrichtete sie viele Jahre auf College-Niveau, präsentierte auf zahlreichen Konferenzen und war beruflich in Führungspositionen in der Community tätig. Als Mutter von sechs Kindern versucht Kolene auch, ihren Kindern beizubringen, wie sie ihr Leben mit Intention, Authentizität und Hoffnung leben können – etwas, das sie selbst von Tag zu Tag zu lernen scheint. Neben der Arbeit bei Saprea und der Kindererziehung fährt sie gerne im Auto und hört dabei Musik, sie spielt gerne Karten- und Brettspiele und ist eine begeisterte Leserin. Ihre Kinder würden dir auch sagen, dass Kolene liebend gerne heiße Bäder nimmt und viel Cola trinkt.