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Was sind somatische Reaktionen und warum sind sie wichtig?

Leslie* empfand aufgrund ihres sexuellen Missbrauchs eine unglaubliche Wut. Sie war über das Geschehene sehr aufgebracht und darüber, dass sie sich nicht gegen den Täter wehren konnte. Ironischerweise war Leslies Wut so tief in ihr vergraben, dass ihre Gefühle im Unterbewusstsein abliefen. Anstatt ihre Wut über das, was ihr passiert war, nach außen zu tragen, hatte sie Schlafprobleme. Bis Leslie sich ihre Wut und ihre Abwehrimpulse bewusst machte, konnte sie diese nicht verarbeiten, und ihre Schlaflosigkeit dauerte an. Kommt dir etwas an dieser Geschichte bekannt vor?

Wir neigen vielleicht dazu zu denken, dass unser Körper von oben nach unten gesteuert wird: Unser Bewusstsein sagt unserem Körper, was er tun soll. In Wirklichkeit gibt es aber auch eine Menge Aktivitäten von unten nach oben: Unser Körper hat einen großen Einfluss darauf, wie wir denken. Die Forschung hat entdeckt, dass die Verarbeitungsprozesse vor allem bei Trauma-Betroffenen häufig von unten nach oben ablaufen. Leslies Schlaflosigkeit zum Beispiel könnte als eine Art „Bottom-up“ Reaktion betrachtet werden. Ihr Körper reagiert auf eine Weise auf das Trauma, die sie selbst nicht bewusst steuern kann. In extremen Momenten kann es zu einem Bottom-up „Hijacking“ kommen. Dabei tritt das Bewusstsein zurück, während der Körper den Rest des Verstandes in Alarmbereitschaft versetzt, selbst wenn es keinen Grund zur Sorge gibt. Diese Reaktion löst bei den Betroffenen sowohl körperlichen als auch emotionalen Stress aus.

Viele Betroffene von sexuellem Missbrauch leiden unter den körperlichen Auswirkungen ihres Traumas. Manchmal ist es unmöglich, eine physiologische Erklärung für das zu finden, was vor sich geht. So leidet jemand z. B. unter Schlaflosigkeit, kann aber nicht erklären, warum das so ist, oder ein anderer leidet unter chronischem Bluthochdruck, ohne dass es einen klaren Grund dafür gibt. Mit anderen Worten: Es gibt körperliche Symptome, die sich nicht vollständig durch eine medizinische Erkrankung erklären lassen. Der Fachbegriff für solche Symptome lautet „somatische Symptome“.

Aber wie kommt es zu somatischen Symptomen? Leider gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort. Der Stanford-Professor für Neurowissenschaften, Robert Sapolsky, erklärt: „Wir haben erkannt, wie komplex unsere Biologie und unsere Emotionen miteinander verwoben sind und wie sehr unsere Persönlichkeit, Gefühle und Gedanken die Geschehnisse in unserem Körper widerspiegeln und beeinflussen“.

Es gibt noch eine andere Denkweise, um das alles zu verstehen. Unsere Gehirne haben mehrere Verarbeitungsmöglichkeiten. Einer dieser Wege führt über den physischen Körper. Diese Verarbeitung, die sich auf körperliche Empfindungen und Impulse konzentriert, findet in den unteren Ebenen des Gehirns statt, im Gegensatz zur bewussten, kognitiven Verarbeitung, die in den höheren Ebenen stattfindet. Es kann sein, dass dein Körper immer noch ein Trauma speichert und verarbeitet, von dem du glaubst, dass du es auf der bewussten Ebene verarbeitet hast. Anders ausgedrückt: Es gibt eine Menge Bottom-up-Verarbeitung.

Warum ist das so wichtig? Zunächst einmal könnte es sich lohnen, der Möglichkeit nachzugehen, dass das Trauma aus deiner Vergangenheit ein Faktor für einige deiner heutigen körperlichen Symptome sein könnte. Wenn du chronische Gesundheitsprobleme hattest, für die du nie eine zufriedenstellende Erklärung gefunden hast, könnten sie mit deinem Trauma in Zusammenhang stehen. Zweitens kann es ein Schlüssel zum Heilen sein, wenn du deinen Körper dazu bewegst, das Trauma aufzuarbeiten. Ziehe in Erwägung, einen Therapeuten oder eine Therapeutin aufzusuchen, der/die darauf spezialisiert ist, körperliche Symptome und Empfindungen als Teil deines Heilungsprozesses zu behandeln. Bei Saprea sprechen wir oft über die Notwendigkeit ganzheitlichen Heilens und ermutigen dich, sowohl auf deinen Körper als auch auf deinen Geist zu achten.



*Der Name von Leslie wurde aus Datenschutzgründen geändert, ihre Geschichte entspricht jedoch der Wahrheit.