Zum Hauptinhalt springen

Saprea > Blog > Alle Blogs > Das Stigma sexuellen Kindesmissbrauchs und wie wir es bekämpfen können

TEILE DIESEN ARTIKEL AUF:
6603:full

Das Stigma sexuellen Kindesmissbrauchs und wie wir es bekämpfen können

Ich bin der Meister meines Los´, Ich bin der Captain meiner Seel’. 

Auf deinem Weg zur Heilung begegnest du vielleicht Menschen, die auf unangemessene oder sogar verletzende Weise auf deine Erlebnisse reagieren. Diese Reaktionen, ob beabsichtigt oder nicht, können dazu führen, dass du dich verunsichert, bloßgestellt oder entmutigt fühlst. Du könntest dich verurteilt oder kritisiert fühlen. Solch eine schmerzhafte Reaktion kann zu einem Hindernis auf deinem Weg zur Heilung werden und dazu führen, dass du dich fragst, ob du deine Geschichte überhaupt noch mit anderen teilen solltest.

So schädlich bestimmte Reaktionen auch sein mögen, das Stigma, das mit sexuellem Kindesmissbrauch verbunden ist, definiert dich NICHT und bestimmt nicht deinen Weg als Betroffene/r.

Was ist ein Stigma und wie entsteht es? 

Ein Stigma ist, wenn eine Person oder eine Menschengruppe einer anderen Person oder Menschengruppe eine negative Konnotation zuweist, die auf bestimmten Überzeugungen, Perspektiven oder Vorurteilen beruht.

Es gibt viele Faktoren, die die Haltung einer Person gegenüber sexuellem Kindesmissbrauch beeinflussen können. Es kann sein, dass eine Person ihre eigenen Traumata noch nicht verarbeitet hat, dass sie nicht weiß, wie man richtig auf das Thema reagiert, oder dass sie von anderen kulturellen Mustern beeinflusst wurde. Auch wenn die Reaktion von jemandem gut gemeint ist, kann sie dennoch unangebracht sein und dazu führen, dass du dich entmutigt oder sogar getriggert fühlst.

Wenn du dich von den Reaktionen anderer auf deine Offenlegung oder von anderen Botschaften in den Medien oder der Öffentlichkeit betroffen fühlst, bedeutet das nicht, dass du schwach, unsicher oder machtlos bist. Es bedeutet nicht, dass du schlecht ausgerüstet bist oder auf deinem Weg zur Heilung einen Rückschritt machst. Tatsache ist, dass du stark, handlungsfähig und resilient bist. Dass du überlebt hast, hier bist und dies liest und dich deinen Dämonen stellst, ist ein Beweis für deinen Mut und deine Stärke. Du bist ein Vorbild für Resilienz und ein/e starke/r Krieger/in, der/die sich entscheidet, sich dem Trauma der Vergangenheit zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen.

Aber egal, wo du dich auf deinem Heilungsprozess befindest, die Ignoranz anderer kann dennoch sehr schmerzhaft sein. Diese Art von Fehlinformationen begegnet dir nicht nur in den Reaktionen anderer, sondern auch in Beiträgen in den sozialen Medien, in der Berichterstattung, in öffentlichen Gesprächen, in den Medien usw. Diese verletzenden und triggernden Botschaften rühren von den Stigmata her, die den sexuellen Missbrauch jahrelang umgeben haben. Diese Stigmata haben zu veralteten und fehlgeleiteten Wahrnehmungen oder kulturellen Mythen geführt. Diese kulturellen Vorurteile („sie hat es so gewollt“, „männliche Leidenschaften sind unkontrollierbar“, „Jungs können nicht sexuell missbraucht werden“) und ihre problematischen Auswirkungen wurden erstmals in den 1970er Jahren von Soziologen und Feministen aufgegriffen. 1975 stellten mehrere Forscher die These auf, dass kulturelle Mythen über sexuellen Missbrauch dazu dienen, unangemessene Aggressionen und toxische Verhaltensweisen zu rechtfertigen, zu verharmlosen und sogar aufrechtzuerhalten.1

Diese Mythen beeinflussen auch heute noch unsere Kultur. Sie können z. B. bestimmte Barrieren oder Vorurteile im Justizsystem verstärken, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Betroffenen nicht geglaubt wird oder Täter/innen straffrei ausgehen. Diese Fehlinformationen können auch zu einer unwissenden oder abweisenden Reaktion auf die Offenlegung eines Missbrauchsfalles, einem fehlgeleiteten Facebook-Beitrag, einer sensationsheischenden Nachricht über falsche Anschuldigungen oder einer schädlichen Darstellung von Familienbeziehungen in einer Fernsehsendung beitragen.

Eine der schlimmsten Auswirkungen des Stigmas von sexuellem Missbrauch ist, dass Betroffene sich nicht trauen, ihren Missbrauch zu teilen und Hilfe zu suchen, vor allem aus Angst darüber, wie andere reagieren.2 Wenn du aber deine Geschichte und deine Resilienz teilst, schenkst du den schweigenden Betroffenen Hoffnung und Ermutigung. Durch dein Beispiel werden sich andere sicher und ermutigt fühlen, ihr Schweigen zu brechen und Hilfe zu suchen, ungeachtet der Kritik, der sie ausgesetzt sein könnten.

Natürlich bedeutet die Tatsache, dass solche Stigmata immer noch existieren, nicht, dass sie von allen akzeptiert oder verstärkt werden. Dank der Bemühungen von Betroffenen, Unterstützern von Betroffenen, Therapeuten, Forschern, Gesetzgebern und Hilfsorganisationen werden immer mehr Fortschritte gemacht, da das Bewusstsein und die Aufklärung über sexuellen Missbrauch zunehmen.

Auch wenn falsche Meinungen und Fehlinformationen schmerzhaft sein können, gibt es Möglichkeiten, wie du sie auf deinem Weg zur Heilung bekämpfen kannst.

1.

NUTZE STABILISIERUNGSTECHNIKEN, WENN DU GETRIGGERT WIRST. 

2.

RECOGNIZE THAT ANOTHER'S HURTFUL REACTION IS ABOUT THEM, NOT YOU.

3.

SUCHE DIR EMOTIONALE UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN, DENEN DU VERTRAUST.

4.

HALTE DEINE ERFAHRUNGEN IN EINEM TAGEBUCH FEST.

5.

LERNE ANDERE PERSPEKTIVEN KENNEN.

Wenn du wirklich neugierig auf ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Sichtweise in Bezug auf sexuellen Missbrauch bist, scheue dich nicht, tiefer zu forschen. Suche nach weiteren Informationen aus seriösen Quellen, wie Forschungsstudien, wissenschaftlichen Artikeln oder Büchern von Fachleuten auf dem Gebiet. Vielleicht möchtest du auch mit einer/m Therapeut/in oder dem/der Gruppenleiter/in einer Selbsthilfegruppe sprechen. Es kann sogar hilfreich sein, deinen Therapeuten oder deine Therapeutin nach bestimmten Stigmata zu fragen, damit du sie und ihre Auswirkungen besser erkennen kannst. Wenn du dir über bestimmte Stigmata oder Mythen im Klaren bist, kannst du auch besser planen, wie du darauf reagierst, wenn du ihnen in Zukunft begegnest. Rüste dich mit so viel Wissen aus, wie du brauchst - sei es für deinen eigenen Seelenfrieden, um andere aufzuklären oder beides.

6.

DISTANZIERE DICH VON TOXISCHEN UMGEBUNGEN.

7.

VERGISS NICHT, DASS DU DIE KONTROLLE ÜBER DEINE EIGENE LEBENSGESCHICHTE HAST.

Verletzende Worte und Reaktionen können uns manchmal tief in der Seele treffen oder sogar triggern. Aber sie definieren uns nicht und haben nicht die Macht, uns von unserem Weg abzubringen. Unabhängig von gesellschaftlichen Stigmata oder ignoranten Meinungen kannst du deine Geschichte selbst bestimmen. Du kannst selbst bestimmen, wohin sie führt und wie sie enden soll. Die Schriftstellerin Rebecca Scritchfield vergleicht die Erfahrungen des Lebens mit einer Autoreise. „Du fährst das Auto. Du bestimmst die Geschwindigkeit, kontrollierst das Gaspedal und die Bremsen und wählst die Straßen, die du auf deiner Reise einschlägst.“3 Die Annahmen, Vorurteile und Missverständnisse anderer können dich dazu bringen, auszuweichen oder langsamer zu fahren. Aber sie können dich nicht von deinem Weg abbringen. Die Negativität anderer kann dich nicht daran hindern, ein Leben voller Hoffnung und Positivität zu führen.

Fazit

Ja, es gibt immer noch Stigmata, die den sexuellen Missbrauch von Kindern umgeben. Und sie können Fehlinformationen, überholte Stereotypen und falsche Reaktionen aufrechterhalten, aber sie können dir nicht deinen Mut, deine Widerstandskraft und deine Stärke nehmen. So entmutigend stigmatisierte und fehlgeleitete Ansichten auch sein mögen, sie können deine Stimme nicht zum Schweigen bringen. Das Stigma, das sexuellen Missbrauch umgibt, bröckelt und wird weiter bröckeln, ein Gespräch nach dem anderen. Wir alle, und das heißt auch du, haben die Macht, das zu erreichen.

Über den Autor

Image

Breeann Allison

Strategieberaterin der Forschungsabteilung und Programmentwicklung
Breeann kam Ende 2018 als Bildungskoordinatorin zu Saprea. Sie hat einen Bachelor of Arts in englischer Literatur mit dem Nebenfach Lektorat von der Brigham Young University. Derzeit arbeitet sie als Mitglied des Forschungs- und Programmentwicklungsteams und als Co-Leiterin des Saprea Healing Webinars. Sie ist außerdem die Autorin des Saprea Arbeitsbuchs Hoffnung wiederfinden und Mitautorin von Warum fühle ich mich immer noch so? Ändere dein Verhältnis zum Trauma sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie arbeitete sieben Jahre lang im Verlagswesen, zuerst als Lehrplanentwicklerin bei Gibbs Smith Education und dann als Redakteurin bei FranklinCovey. In ihrer Freizeit schreibt sie gerne Belletristik, verwöhnt ihre Nichten und Neffen und verteidigt die Wichtigkeit des Oxford-Kommas.