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DIE AUSWIRKUNGEN SEXUELLEN KINDESMISSBRAUCHS:

Scham und sexueller Kindesmissbrauch

Was ist Scham?

Scham ist eine schmerzhafte Emotion, die mit Gefühlen wie Wertlosigkeit, Selbsthass, Selbstverachtung und Versagen einhergeht. Wenn jemand Scham empfindet, kann es vorkommen, dass sich die Person selbst als beschädigt oder fehlerhaft ansieht und den Drang verspürt, ihre vermeintliche Fehlerhaftigkeit vor anderen zu verbergen.1 Jeder verspürt bis zu einem gewissen Grad milde Formen der Scham, z.B. Gefühle der Verlegenheit, des mangelnden Selbstbewusstseins oder der Unbeholfenheit. Diese Art der Scham ist ein natürlicher Bestandteil unserer menschlichen Erfahrung, vor allem wenn es um Beziehungen und unserer sozialen Entwicklung geht.2

Wenn das Schamgefühl jedoch stärker ausgeprägt ist, kann es zu Gefühlen der Isolation, Hilflosigkeit, geringem Selbstwertgefühl und selbstzerstörerischem Verhalten führen. In manchen Fällen kann Scham sogar zu Suizidgedanken und Selbstverletzungen führen.*

Wenn du Suizidgedanken hast, dir Sorgen um einen Freund oder einen geliebten Menschen machst oder emotionale Unterstützung suchst, dann wähle die unten aufgeführte Nummer für dein Land.
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Schamgefühle können eine sehr belastende und isolierende Erfahrung sein, besonders für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch. Nicht alle Betroffene empfinden Scham, aber viele tun es und können sie über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg akut spüren. Das wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Es gibt jedoch Hoffnung für Betroffene Gefühle der Scham zu verarbeiten, egal wie dauerhaft oder allgegenwärtig sie zu sein scheinen.

Wie unterscheidet sich Scham von Schuld?

Wenn wir Schuld empfinden, empfinden wir eine bestimmte Emotion aufgrund eines bestimmten Ereignisses oder einer bestimmten Handlung. Im Gegensatz dazu empfinden wir bei Scham Gedanken oder Emotionen in Bezug auf unser gesamtes Selbst - wer wir sind, was wir verdienen und wie wir auf andere wirken.3 Wenn Jana z.B. den Geburtstag ihrer Schwester vergisst und nicht daran denkt sie zu kontaktieren oder ein Geschenk zu schicken, fühlt sie sich schlecht und schuldig, dass sie ihren Geburtstag vergessen hat und wie sich ihre Schwester aufgrund dessen fühlt. „Ich war mit der Arbeit zu sehr abgelenkt und habe meine Schwester hängen gelassen“, könnte sie vielleicht denken. Wenn Jana in derselben Situation Scham empfindet, könnte sie Gedanken haben wie: „Ich bin eine schreckliche Schwester“, „Ich bin unzuverlässig“ oder „Ich habe es nicht verdient ihre Schwester zu sein“.

Letztlich bezieht sich die Schuld darauf, wie wir uns wegen unserer Handlungen fühlen, während die Scham sich darauf bezieht, wie wir unser gesamtes Selbst sehen. Schuldgefühle können ein hilfreicher Motivator sein, der uns dazu bringt, darüber nachzudenken, was wir in Zukunft anders machen könnten. Scham hingegen kann ein sehr zerstörerischer Prozess aus Gedanken und Gefühlen sein, der dazu führt, dass wir uns verloren fühlen.

Warum empfinden wir Scham?

Scham ist ein Gefühl, das sich typischerweise in der Kindheit entwickelt, wenn das Gehirn noch nicht in der Lage ist, das Gesamtbild zu erfassen oder die Gründe für die Aussagen oder Handlungen einer anderen Person zu verstehen. Wenn wir als Kinder ein Ereignis, eine Interaktion oder ein Gefühl erleben, das wir nicht ganz verstehen, versuchen wir eine Erklärung zu finden, und die Situation einzuordnen. Manchmal können diese Erklärungen Schamgefühle auslösen.

Stell dir beispielsweise vor, ein Kind (nennen wir es Mia) verschüttet beim Abendessen versehentlich Spaghetti-Soße auf ihr neues Oberteil. Als ihr Vater es bemerkt, fängt er an zu toben und schreit Mia an. Er wird sogar so wütend, dass er aufsteht und den Tisch verlässt. Am selben Abend hört Mia, wie sich beide Eltern im Schlafzimmer streiten. Da sie den wahren Grund für den Wutausbruch ihres Vaters und den darauffolgenden heftigen Streit nicht begreifen kann, versucht Mia, sich einen Reim darauf zu machen und kommt zu dem Schluss, dass es ihre Schuld ist. Sie hat alles vermasselt, als sie die Soße verschüttet hat, und jetzt streiten ihre Eltern darüber, was für ein schlechtes Kind sie ist. Diese Erkenntnis löst in Mia ein Gefühl der Scham aus, dass sich auf ihr Selbstwertgefühl und die Beziehung zu ihren Eltern auswirkt.

Solche Momente kommen in der Kindheit und Jugend häufig vor, weil sich der so genannte Frontallappen des Gehirns noch in der Entwicklung befindet. Der Frontallappen ist der Gehirnbereich, der uns hilft, Informationen zu analysieren, komplexe Probleme zu lösen und bewusste Entscheidungen zu treffen. Er ist der Schlüssel dazu, dass wir Situationen, Ereignisse oder Verhaltensweisen, die zunächst verwirrend oder sogar verletzend sind, einschätzen und zuordnen können.

Wenn ein Kollege oder eine Kollegin uns plötzlich und scheinbar grundlos ignoriert, nutzen wir unseren Frontallappen, um die Situation zu bewerten und einen Grund dafür zu finden. Vielleicht erkennen wir, dass der/die Mitarbeiter/in unter enormem Stress steht, weil er/sie seine/ihre Termine einhalten muss, oder mit dem Todestag eines Angehörigen zu kämpfen hat. Mit dieser Erkenntnis können wir auf das verletzende Verhalten mit Geduld und Einfühlungsvermögen reagieren.

Natürlich ist es auch für Erwachsene ganz natürlich, voreilige Schlüsse zu ziehen, die zu Schamgefühlen führen können. Für Kinder und Jugendliche ist es jedoch besonders schwierig, komplizierte Situationen zu analysieren und zu verstehen, da sich ihr Frontallappen noch in der Entwicklungsphase befindet und ihr limbisches System (der Gehirnbereich, der automatisch versucht, das zu vermeiden, was sich schlecht anfühlt, und dem nachzugehen, was sich gut anfühlt) die Oberhand hat.

Was ist der Zusammenhang zwischen Scham und sexuellem Kindesmissbrauch?

Scham ist eine besonders häufige Folge sexuellen Kindesmissbrauchs.1 Das liegt vor allem daran, dass das Trauma in der Kindheit oder Jugend der/des Betroffenen stattfand, als sich der Frontallappen noch entwickelte.

Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher ein schweres Trauma erlebt, wie z.B. sexuellen Missbrauch, kann es noch nicht verstehen, warum ihm etwas so Schmerzhaftes widerfahren ist. Das Kind ist noch nicht in der Lage zu erkennen, dass die Person, die es missbraucht hat, vielleicht mit emotionalen oder Verhaltensproblemen zu kämpfen hat oder, dass es das gleiche Trauma, das ihm angetan wurde, nun jemand anderem zufügt. Was auch immer die Gründe für den Missbrauch waren, der Täter oder die Täterin war im Unrecht und hat die Grenzen des Kindes verletzt. Da sich der analytische, problemlösende Teil des Gehirns des Kindes jedoch noch in der Entwicklung befindet, kann es sein, dass das Kind nicht erkennt, dass es keine Verantwortung für den Missbrauch trägt.

Wenn das Kind selbst versucht zu verstehen, warum es von jemandem missbraucht wurde, fallen ihm vielleicht Gründe ein wie: „Ich habe etwas falsch gemacht“, „Ich habe sie dazu gebracht, zu denken, dass ich das will“, „Ich verdiene das“ oder „Ich verdiene keine Liebe oder Sicherheit“. Auch wenn keiner dieser Gedanken der Realität entspricht, kann die damit einhergehende Scham so stark sein, dass Betroffene davon überzeugt sind, dass sie wahr sind.

Zusätzlich zu diesen negativen Selbstbildern, können Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch eine zusätzliche Schicht der Scham empfinden aufgrund:1

  • der sozialen und kulturellen Stigmatisierung, die Sex und sexuellen Missbrauch immer noch umgibt.
  • der Geheimhaltung, in der der Missbrauch stattfand.
  • der Schuldzuweisung des Täters oder der Täterin, um das Kind zum Schweigen zu bringen.
  • der mangelnden Unterstützung, die das Kind erhält, wenn es sich jemandem anvertraut.

Warum empfinde ich im Erwachsenenalter immer noch Scham?

Die traumatischen Erfahrungen, die du als Kind oder Jugendliche/r gemacht hast, und die Schamgefühle, die damit einhergingen, können deine Entwicklung im Erwachsenenalter stark prägen. Das bedeutet, dass die durch das Trauma verursachte Scham auch dann noch verinnerlicht sein kann, wenn der Missbrauch vorbei ist und du dein Leben als Erwachsene/r lebst, vor allem, wenn du diese Last allein getragen hast.

Die schambezogenen Gedanken, die Betroffene als Kinder erleben, um ihr Trauma zu verarbeiten, beeinflussen ihr Selbstbild und ihren Selbstwert, sogar wenn sie älter werden. Im Erwachsenenalter können sich diese schambezogenen Gedanken zu negativen Selbstüberzeugungen entwickeln, die sich darauf auswirken, wie sie sich selbst, andere und die Welt um sie herum sehen. Versucht ein Kind z.B. zu verstehen, warum ein nahestehender Mensch es missbraucht hat, und kommt zu dem Schluss: „Ich verdiene keine Liebe“, kann dieser Gedanke bis ins Erwachsenenalter fortbestehen und die Meinung der oder des Betroffenen darüber beeinflussen, ob sie oder er Unterstützung und liebevolle Beziehungen verdient hat oder nicht.

Letztendlich kann Scham zu einer langfristigen Traumafolge werden, die schwer zu überwinden ist, da sie sehr entmündigend, belastend und bezwingend sein kann. Dennoch ist es möglich, diese Scham zu überwinden. Das fängt damit an, dass du ihre Anwesenheit in deinem Leben anerkennst.

Wie kann sich die Scham auf mein Leben auswirken?

Scham kann auf ganz unterschiedliche Weise wahrgenommen werden. Was für die oder den eine/n Betroffene/n beschämend ist, muss für eine/n andere/n nicht beschämend sein. Es ist auch wichtig zu wissen, dass nicht alle Betroffenen von sexuellem Kindesmissbrauch Scham empfinden. Es kann sein, dass du die folgende Liste liest und dich mit keinem der Beispiele identifizieren kannst. Umgekehrt kann es sein, dass du dich mit mehreren Beispielen identifizierst.

Zu wissen, wie du Scham erlebst und wie sie sich auf dich auswirkt, kann dir helfen, besser zu verstehen, was in dir vorgeht, es zu benennen und zu überwinden.

Im Folgenden findest du Beispiele dafür, wie Betroffene festgestellt haben, dass sich Scham auf ihr Leben auswirkt.

Selbstwertgefühl

Scham hat einen starken Einfluss auf das Selbstwertgefühl eines Menschen.2 Menschen, die sexuell missbraucht wurden, sehen sich selbst in einem schlechten Licht, auch wenn sie nicht für das Geschehene verantwortlich sind. Die Scham über den sexuellen Missbrauch führt dazu, dass sich die Betroffenen als beschädigt, unwürdig oder unbedeutend beschreiben. Sie haben ein Gefühl der Wertlosigkeit und den Wunsch, sich zu verstecken oder zu verschwinden. Diese Gefühle können Gedanken wie „Ich bin kaputt“, „Ich bin schlecht“ oder „Mit mir stimmt etwas nicht“ hervorrufen. Manchmal können sie zu Selbstkritik und Schuldzuweisungen führen, wobei Betroffene vielleicht Perfektion von sich selbst erwarten und die Schuld für Dinge übernehmen, die sie nicht getan haben. Andererseits können sie auch andere kritisieren, um ein höheres Selbstwertgefühl zu erlangen.

Leider können die durch Scham hervorgerufenen Probleme mit dem Selbstwertgefühl einen Zyklus in Gang setzen. Die Minderwertigkeitsgefühle einer Person können zu negativen Erfahrungen führen, die diese Gefühle verstärken.


Emotionale Gesundheit

Betroffene von sexuellem Missbrauch haben oft mit ihrer emotionalen Gesundheit zu kämpfen, was durch Schamgefühle erschwert werden kann. Menschen, die aus Scham Informationen verheimlichen, können schlimmere psychische Symptome entwickeln als die Symptome, die allein durch den Missbrauch entstehen. Scham trägt zur Entwicklung vieler posttraumatischer Stresssymptome bei. Genauer gesagt kann Scham zu Angstzuständen, Depressionen, Selbstmordgedanken und Dissoziation führen.2 Sie kann auch dazu führen, dass Betroffene sich ganz von ihren Gefühlen abkoppeln wollen.

Manchmal kann eine Person in einer so genannten „Schamspirale“ gefangen sein, in der sie sich in der Wahrnehmung ihrer Scham gefangen fühlt und wie sie emotional auf diese Scham reagiert. Zu diesen Emotionen können schambedingte Frustration, Ärger, Angst oder Wut gehören. Während dieser Spiralen haben Betroffene das Gefühl, ihre Gefühle nicht unter Kontrolle zu haben, was zu weiterer Scham führen kann.2


Physische Gesundheit

Scham kann sich in psychosomatischen Symptomen äußern, die „Ausdruck des emotionalen Schmerzes [durch] körperliche Symptome“ sind.3 Forscherinnen und Forscher haben herausgefunden, dass sexueller Missbrauch in der Kindheit stark mit körperlichen Symptomen verbunden ist, für die es keine klaren medizinischen Erklärungen gibt, zumal Scham bei vielen dieser Symptome eine Rolle spielt. Betroffene leiden häufig unter chronischen Beckenschmerzen, Reizdarmsyndrom und Fibromyalgie im Nacken, in den Schultern und im Rücken. Scham wird auch mit einem geschwächten Immunsystem in Verbindung gebracht. Leider können Schamgefühle die Inanspruchnahme von Hilfe erschweren, denn jemand mit unerklärlichen körperlichen Symptomen wird einem Arzt oder einer Ärztin gegenüber wahrscheinlich nicht von seinem oder ihrem sexuellen Missbrauch erzählen, auch wenn die Informationen möglicherweise relevant sind.3

Verhaltensweisen

Betroffene mit starken Schamgefühlen greifen oft zu ungesunden Verhaltensweisen, um mit den schmerzhaften Auswirkungen ihres Traumas fertig zu werden. Betroffene glauben z.B. nicht, dass sie würdig oder fähig sind, gesündere Verhaltensweisen zu entwickeln, wie z.B. Achtsamkeit und Selbstfürsorge zu praktizieren, einen Therapeuten aufzusuchen, eine Selbsthilfegruppe zu finden oder ihren Lebensstil zu ändern. Stattdessen glauben sie häufig, dass es für sie keine Hoffnung mehr gibt, dass sie bei allem, was sie versuchen, scheitern werden oder dass sie es nicht verdienen, glücklich zu sein oder sich besser zu fühlen. In dieser Denkweise können Betroffene zu zwanghaften, emotionsgesteuerten Gewohnheiten wie übermäßigem Schlafen, übermäßigem Einkaufen, Isolation, riskantem Sexualverhalten oder Alkohol- und Drogenmissbrauch übergehen. Wie bei der oben erwähnten Schamspirale können Betroffene, die aufgrund ihrer Schamgefühle bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legen, sich wiederum für ihre Neigung zu diesen Verhaltensweisen schämen.

Das Gefühl der Wertlosigkeit kann auch dazu führen, dass Betroffene sich selbst vernachlässigen und/oder selbstsabotieren. Wenn Betroffene sich selbst vernachlässigen, glauben sie, dass sie es nicht verdienen, sich gut zu fühlen und vernachlässigen daher absichtlich ihre körperlichen und emotionalen Bedürfnisse. Bei der Selbstsabotage kann eine Person bewusst oder unbewusst die Dinge sabotieren, die im Leben gut laufen, wie z.B. eine neue Beziehung oder einen neuen Job.


Beziehungen

Der Ursprung unserer Scham liegt darin, wie wir soziale Interaktionen verinnerlichen.2 Scham wird also von unserer Sorge darüber genährt, wie andere uns wahrnehmen, und diese Sorge kann es erschweren, gesunde und erfüllende Beziehungen zu knüpfen und zu führen. Betroffene meiden es häufig über ihren Missbrauch und ihren Schmerz zu sprechen. Sie wollen am liebsten verschwinden, belastende Informationen verheimlichen und sich vor anderen verstecken. Dieses Verschweigen und der Mangel an Kommunikation kann es erschweren, mit anderen in Kontakt zu treten. Kinder und Jugendliche, die Scham empfinden, akzeptieren vielleicht, dass sie von Gleichaltrigen und Partnern schlecht behandelt werden oder haben sogar das Gefühl, dass sie es verdienen. Diese Tendenzen können sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen und dazu führen, dass sie Partner wählen, bei denen sie sich wertlos und zurückgewiesen fühlen. Eine solche Beziehung kann wiederum die Scham der Betroffenen verstärken.

Erwachsene Betroffene isolieren sich oft oder werden übermäßig unterwürfig, weil sie überzeugt sind, keine eigenen Grenzen setzen und aufrechterhalten zu können. Sie denken oft, dass ihre Bedürfnisse nicht wichtig sind, sondern nur die Bedürfnisse anderer Menschen.1


Sexuelle Gesundheit

Ein weiterer Aspekt von Beziehungen, der durch Scham beeinträchtigt werden kann, ist die sexuelle Gesundheit bzw. das Verhältnis zur sexuellen Intimität. Betroffene assoziieren sexuelle Handlungen oft unbewusst mit schamvollen Gefühlen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich manche Betroffene bei sexueller Erregung schämen, auch wenn diese in gesunden Situationen stattfindet. Die problematische Beziehung, die Betroffene zur Sexualität haben, kann sich sowohl in mangelndem Interesse an Sex als auch in der Vermeidung von Geschlechtsverkehr oder in impulsivem, riskantem Sexualverhalten äußern. Außerdem kämpfen Betroffene oft mit Körperscham und haben das Gefühl, sie seien nicht attraktiv und deshalb unbedeutend und unerwünscht.4

Offenlegung

Die Last eines traumatischen Erlebnisses, ohne jegliche Unterstützung zu tragen, ist oft eine schmerzhafte und isolierende Erfahrung. Das Schamgefühl, das Betroffene empfinden, kann ein erhebliches Hindernis für die Offenlegung ihres Missbrauchs sein, selbst wenn sie sich gerne jemandem anvertrauen würden. Tatsächlich ergab eine Studie aus dem Jahr 2013, dass 76 % der Teilnehmer/innen Scham als wichtigsten Grund dafür angaben, ihren Missbrauch nicht offenzulegen und/oder Hilfe zu suchen.2 Diese Scham hält Betroffene oft davon ab, sich mitzuteilen, oder bewirkt, dass sie sich aufgrund der Scham und der mangelnden Unterstützung, die sie bereits erlebt haben, nicht nochmal jemanden anvertrauen. Auch hier ist Scham sehr stark mit der Angst verbunden, einen Teil von sich selbst zu verstecken, um nicht verurteilt, beschuldigt oder kritisiert zu werden. Die Erwartung, erneut mit Scham konfrontiert zu werden (unabhängig davon, ob sie auf früheren Erfahrungen beruht oder nicht), sowie das Wissen um die gesellschaftlichen Tabus und Stigmata, die sexuellen Missbrauch in unserer Gesellschaft immer noch umgeben, können ebenfalls dazu beitragen, dass Betroffene sich fürchten oder es vermeiden, die Wahrheit über ihre Vergangenheit preiszugeben. Und selbst wenn ein/e Betroffene/r weiß, dass die Unterstützung anderer der Schlüssel zu ihrem/seinem Heilen ist, kann sie/er überzeugt sein, dass sie/er diese Unterstützung oder das Heilen nicht verdient, und wird die Last ihres/seines Traumas weiterhin allein und im Stillen tragen. 1

Kann ich die Schamgefühle lindern, die ich empfinde?

Ja. Egal, wie lange die Scham ein wesentlicher Bestandteil deines Traumas war und egal, wie allgegenwärtig sie im Moment in deinem Leben zu sein scheint, du kannst sie überwinden. Auch wenn die Scham eine Rolle dabei gespielt hat, wie du dich selbst und deinen Platz in der Welt siehst, ist es mehr als möglich, diese Ansichten und Denkmuster zu ändern. Dank der unglaublichen Fähigkeit deines Gehirns, sich anzupassen, neu zu verdrahten und neue Nervenbahnen, zu bilden, kannst du Gedanken der Scham und des Selbsthasses (egal wie tief verwurzelt oder langanhaltend sie sind) in Gedanken des Selbstwerts und des Selbstmitgefühls umleiten.

Neue Nervenbahnen zu entwickeln, ist ein wesentlicher Bestandteil, um Scham und ihre Auswirkungen zu reduzieren.2 Deshalb versucht Saprea, Ressourcen und verschiedene Strategien zur Verfügung zu stellen, die Betroffenen dabei helfen. Wenn du von sexuellem Missbrauch im Kindesalter betroffen bist, könnte es für dich von Vorteil sein, unsere Seite über die Symptome der Scham und die dazugehörigen Ressourcen zu erkunden. Diese Ressourcen können dir dabei helfen, die vertrauten (aber auf Scham basierenden) Gedankenmuster deines Gehirns zu durchbrechen, indem du belastende oder nutzlose Gedanken identifizierst, Selbstvorwürfe abbaust, dich in Selbstmitgefühl, übst und deine Sichtweise auf bestimmte Situationen neu definierst. Ein Großteil deines Heilungsprozesses wird sich auf bewusste Reaktionen und Gedanken konzentrieren, und es ist daher hilfreich, wenn du die Vorteile der Akzeptanz, der Achtsamkeit und der Aspiration kennenlernst und anwendest.

Um von den Auswirkungen von Scham und Trauma heilen zu können, ist neben dem Aufbau neuer Nervenbahnen auch die soziale Unterstützung und Verbindung wichtig.2 Ob durch einen Therapeuten, eine vertrauenswürdige Person, eine Selbsthilfegruppe oder eine Kombination aus allen dreien - wir ermutigen dich Unterstützung, Validierung und ein Gemeinschaftsgefühl zu finden. Ein guter Anfang sind unsere Saprea-Selbsthilfegruppen, die von Betroffenen für Betroffene geleitet werden. Hier kannst du eine Gruppe in deiner Nähe oder online finden. Sollte es in deiner Gegend keine Gruppe geben, und du dich bereit fühlst eine zu gründen, können wir dich sehr gerne darin unterstützen!

Wenn du daran interessiert bist, an unserem Retreat teilzunehmen, um mehr über die Auswirkungen von Scham und sexuellem Kindesmissbrauch zu erfahren und an einer Reihe von erfahrungsorientierten und gemeinschaftsbildenden Kursen und Aktivitäten teilzunehmen, dann informiere dich hier über das Saprea Retreat.

Egal, wie sehr die Scham deine Selbstwahrnehmung und das, was du verdienst, geprägt hat, deine Bedürfnisse sind wichtig, und du hast es verdient, zu heilen, glücklich zu sein und dein Leben in vollen Zügen zu genießen. Beginne noch heute, um die nächsten Schritte auf deinem Weg zur Heilung zu ergreifen.