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Häufige Symptome:

Dysfunktionale Beziehungen

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Häufige Symptome:

Dysfunktionale Beziehungen

Trigger-Warnung: Dieser Text enthält fiktive Szenarien, die Erfahrungen von Betroffenen widerspiegeln können. Bitte sei vorsichtig und höre auf, wenn du dich von den dargestellten Situationen überfordert fühlst.

Wir alle stoßen in unserem Leben auf schwierige Beziehungen. Diese Beziehungen können familiär, romantisch, beruflich, sozial oder einfach nur beiläufig sein. Die Herausforderungen in unseren Beziehungen können aus Unterschiede in Bezug auf Hintergrund, Erfahrung, Meinung, Interessen, Ziele oder Persönlichkeit resultieren. Solche Unterschiede können mehr Geduld, Unterstützung und Kompromisse erfordern, damit eine Beziehung überhaupt funktionieren kann. Solche Unterschiede sind ein Zeichen dafür, dass eine bestimmte Beziehung am besten aus der Ferne, mit Hilfe eines Psychologen oder einer Psychologin geführt oder vielleicht sogar ganz beendet werden sollte.

Wir sind auf soziale Unterstützung und Beziehungen in unserem Leben angewiesen - vor allem, wenn wir von einer traumatischen Vergangenheit heilen wollen.1 Manche Beziehungen können jedoch mehr Leid als Erfüllung bringen. Sie können sich negativ auf unser Wohlbefinden und das der anderen Person auswirken. In manchen Fällen sind wir sowohl mit uns selbst als auch mit der anderen Person unzufrieden, wissen aber nicht, wie wir etwas an der Dynamik ändern können. In anderen Situationen fühlen wir uns im Zwiespalt, eine Beziehung zu beenden oder das Maß an Investitionen und/oder Interaktion zu reduzieren.

Es kann sogar vorkommen, dass wir uns gar nicht bewusst sind, dass wir uns in einer dysfunktionalen Beziehung befinden. Unabhängig von der Situation ist es wichtig, herauszufinden, warum eine Beziehung nicht funktioniert, um ein Netzwerk der Unterstützung aufbauen zu können. Ein Unterstützungsnetzwerk besteht aus den Menschen in deinem Leben, denen du vertraust und auf die du dich stützen kannst, während du dein Trauma verarbeitest.

Was zeichnet eine dysfunktionale Beziehung aus?

Eine Vielzahl von Faktoren kann die Qualität oder Stabilität einer Beziehung beeinflussen. Außerdem kommen noch mehr Variablen ins Spiel, wenn wir bedenken, dass keine Beziehung der anderen gleicht. Dennoch gibt es einige grundlegende Merkmale, an denen die Qualität einer Beziehung gemessen werden kann.

Eine Beziehung kann im Allgemeinen als dysfunktional bezeichnet werden, wenn sie folgende Merkmale aufweist:2,3

  • ein geringes Maß an Vertrauen.
  • ein geringes Maß an Sicherheit.
  • ein geringes Maß an Authentizität.
  • ein geringes Maß an Unterstützung.
  • ein geringes Maß an Kommunikation.
 

Diese Merkmale können zu einer Vielzahl von Beziehungsstörungen führen, die sich in Meinungsverschiedenheiten, Unzufriedenheit oder sogar in einem Missbrauchsrisiko durch eine oder beide Seiten äußern können. Mögliche Folgen sind unter anderem:

  • die Unfähigkeit, Konflikte auf eine gesunde Weise zu lösen.
  • die Unfähigkeit, zu kommunizieren, Grenzen zu setzen und einzuhalten.
  • die Unfähigkeit, sich in die andere Person einzufühlen oder Mitgefühl zu empfinden.
  • Schwierigkeiten, sexuelle Intimität in romantischen Beziehungen zu genießen.
  • Schwierigkeiten, sich in einer Beziehung zu engagieren, zu binden und/oder ihr treu zu bleiben.
  • Schwierigkeiten, ein Gefühl von hohem Selbstwert oder Sicherheit zu empfinden.4
 

Dysfunktionale Beziehungen sind zwar in allen Altersgruppen und demografischen Schichten verbreitet, aber Betroffene von Traumata sind für solche Beziehungen besonders anfällig.5,6

Sind dysfunktionale Beziehungen für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch normal?

Die Art und Weise, wie wir im Erwachsenenalter mit anderen umgehen und interagieren, wird stark von unseren Erfahrungen als Kinder geprägt. Während sich unser Gehirn in der Kindheit und Jugend entwickelt, beobachten wir das Verhalten und die Handlungen anderer.7 Diese Beobachtungen helfen uns, unser eigenes Verständnis und unsere Erwartungen an Beziehungen und soziale Situationen zu entwickeln.

Aus diesem Grund kann das Trauma sexuellen Kindesmissbrauchs die Wahrnehmung der Betroffenen von sich selbst, von anderen und von ihren Beziehungen erheblich verändern. Dieses Trauma bezieht sich nicht nur auf den Missbrauch selbst, sondern wirkt sich auch auf ihr Sicherheitsgefühl, ihren Selbstwert und ihre Vorstellung aus, wie eine Beziehung aussehen sollte. Dieser Einfluss kann Folgendes umfassen: 5

  • Misstrauen
  • Gefühle der Stigmatisierung
  • Gefühle der Hilflosigkeit

Misstrauen

Oft begleitet Misstrauen Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch. Sie können dieses Gefühl nicht nur gegenüber dem Täter empfinden - vor allem, wenn es sich um eine Vertrauensperson handelte - sondern auch gegenüber denjenigen, die die Betroffene nach der Aufdeckung des Missbrauchs nicht beschützt oder unterstützt haben. Diese tiefe Enttäuschung kann es den Betroffenen erschweren, jemandem erneut zu vertrauen. Durch dieses Misstrauen kann es zu Abneigungen von Beziehungen führen, selbst wenn sich die Betroffene isoliert und einsam fühlt. Misstrauen kann auch zu Beziehungen führen, in denen Misstrauen und Wut eine bedeutsame Rolle spielen.3

Bei anderen Betroffene kann sich das Misstrauen, das aus einem Kindheitstrauma resultiert, später in dem Bedürfnis äußern, Vertrauen und Sicherheit zurückzugewinnen. Ein solches Bedürfnis kann dazu führen, dass Betroffene manchen Menschen vertrauen, die dieses Vertrauen nicht verdient haben. Daher sind erwachsene Betroffene von sexuellem Missbrauch besonders anfällig für Beziehungen, die körperlichen, psychologischen und/oder sexuellen Missbrauch mit sich bringen.5

Beispiele:
Kiaras Nachbarin fragt sie, ob sie Interesse hätte, an einem wöchentlichen Spieleabend mit anderen aus der Nachbarschaft teilzunehmen. Kiara überlegt, ob sie die Einladung annehmen soll. Es könnte ihr helfen, die langen Abende der Einsamkeit und Depression zu überwinden, doch schließlich lehnt sie ab. Sie wurde in der Vergangenheit zu sehr verletzt und fühlt sich allein sicherer.
Liesels Cousine arbeitet in der gleichen Firma und versucht eine Freundschaft mit Liesel aufzubauen, die sie widerwillig annimmt. Liesel vertraut ihrer Cousine nicht, wegen der Reaktion anderer Verwandten, als sie erfuhren, dass Liesels Tante sie jahrelang sexuell missbrauchte. Die beiden werden trotz allem Freunde, doch Liesel ertappt sich immer wieder dabei, dass sie wegen der kleinsten Dinge auf ihre Cousine wütend wird. Außerdem wird sie jedes Mal misstrauisch, wenn ihre Cousine jemandem eine SMS schickt, weil sie davon überzeugt ist, dass es sich um ein Familienmitglied handelt, das auf den Missbrauch schlecht reagiert hat.
Lisa weiß, dass ihr Arbeitskollege Samuel es nur gut meint. Sicher, er neigt dazu, verletzende oder beleidigende Dinge zu sagen und scheint sie mit vielen seiner Kommentare zu attackieren, selbst dann, wenn sie versucht, ihn zu korrigieren. Sie denkt sich, dass sie wahrscheinlich nur überreagiert. Schließlich ist Lisa diejenige, die schon lange kein Vertrauen mehr in andere Menschen hat. Sie muss Samuel eine Chance geben und beweisen, dass sie selbst diese herausfordernde Beziehung meistern kann.

Gefühle der Stigmatisierung

Trotz der Fortschritte in unserer Gesellschaft gibt es immer noch falsche Vorstellungen, Fehlinformationen und veraltete Ansichten über sexuellen Kindesmissbrauch. Ein allgemeiner Mangel an Bewusstsein und Aufklärung zu diesem Thema erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein sexuell missbrauchtes Kind oder ein Jugendlicher Gefühle der Stigmatisierung entwickelt. Diese Stigmatisierung führt oft zu Schamgefühlen, einem geringen Selbstwertgefühl und einem niedrigen Selbstbewusstsein. Dies kann dazu führen, dass Betroffene glauben sie seien der Liebe eines Partners nicht würdig, der sie respektiert und schätzt. Wie ein geringes Vertrauen kann auch ein geringes Selbstwertgefühl Betroffene daran hindern, eine Beziehung einzugehen oder sich zu binden, selbst wenn sie soziale Kontakte und Unterstützung brauchen. Ein geringes Selbstwertgefühl kann auch die Chancen einer Betroffenen verringern, sich aus einer Beziehung zurückzuziehen, die ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden schadet.
Beispiele
Natalie ist begeistert, als ihre ehemalige Arbeitskollegin Monique sie auf ein Date einlädt. Sie hat schon seit Langem Gefühle für Monique, und die Vorstellung, etwas mit ihr anzufangen, weckt Schmetterlinge in ihrem Bauch. Doch der Aufregung folgt eine überwältigende Verzweiflung. Natalie weiß, dass sie nicht mit Monique ausgehen kann, denn schließlich würde Monique merken, wie kaputt und zerbrochen sie ist. Natalie könnte sich sogar vorstellen, dass sie sich sicher genug bei Monique fühlt, um ihr zu erzählen, dass sie und ihr Bruder von ihrem Stiefvater missbraucht wurden, aber sie glaubt Monique würde so viel Last nie in ihrem Leben auf sich nehmen wollen.
Claudias Schwestern sagen ihr immer wieder, dass sie einen besseren Mann verdient, jemanden, der sie nicht so behandelt wie Johannes. Sie erinnern sie immer wieder daran, dass Johannes sie nicht wertschätzt und sie sogar beleidigt, wenn Claudia versucht an einer Diskussion teilzunehmen. Claudia denkt, dass ihre Schwestern Recht haben könnten, doch dann erinnert sie sich daran, dass ihr Volleyball-Trainer, der sie damals missbrauchte, gesagt hat, dass niemand außer ihm sie jemals lieben würde. Daraufhin erinnert sie sich das sie Glück hat, dass sie mit Johannes zusammen ist. Sie hat Glück, dass sie überhaupt jemanden hat.
Tina fühlt sich nach jedem Besuch bei ihrer Mutter schrecklich. Nach manchen Besuchen ist Tina sogar tagelang deprimiert und erschöpft. Was es noch schlimmer macht, ist, dass Tina während ihres Besuches immer wieder in ihre traumatischen Erinnerungen zurückversetzt wird. Tina hatte ihrer Mutter damals erzählt, dass sie von einem Freund ihrer Mutter missbraucht wurde. Ihre Mutter hatte ihr daraufhin gesagt, sie solle es niemandem erzählen und nie wieder darüber sprechen. Selbst jetzt, 15 Jahre später, scheint Tinas Mutter verärgert zu sein, dass Tina ihr überhaupt von dem Missbrauch erzählt hat. Tina möchte sich von ihrer Mutter distanzieren, bis sie ihre Emotionen verarbeitet hat, aber das kann sie nicht. Sie muss schließlich für ihre Eltern da sein. Den eine fürsorgliche, liebevolle Tochter, ist das Mindeste, was sie tun kann, nach allem, was ihre Mutter wegen ihr durchmachen musste.

Gefühle der Hilflosigkeit

Sexueller Missbrauch in der Kindheit kann zu einer so genannten „erlernten Hilflosigkeit“ führen, d.h. zu dem Gefühl, keine Kontrolle über eine Situation zu haben und daher keinen Grund zu haben, zu versuchen, das Leiden, das sie einem zufügt, zu vermeiden, zu verändern oder zu entkommen.8 Dieses Gefühl der Hilflosigkeit kann sich auf die Beziehungen von Erwachsenen auswirken, insbesondere auf Beziehungen, in denen ein geringes Maß an emotionaler und körperlicher Sicherheit herrscht. Daher entscheiden sich Betroffene oft dafür, in Beziehungen zu bleiben, die ihnen Schaden zufügen; oder sie vermeiden es, Grenzen zu setzen oder Veränderungen einzuleiten, die die Beziehung verbessern könnten.

Es gibt in einer Beziehung immer zwei Menschen, und wie die andere Person auf vorgeschlagene Veränderungen oder festgelegte Grenzen reagiert, liegt nicht in der Kontrolle der Betroffenen.

Oftmals erfordert eine Beziehung die Hilfe eines Beraters oder Therapeuten, wozu wir nachdrücklich ermutigen. In anderen Fällen liegt es im besten Interesse der Betroffenen, die Beziehung zu beenden und hinter sich zu lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Betroffene in einer Beziehung ist, in der sie körperlich misshandelt wird. Häusliche Gewalt und andere Formen von Missbrauch (sexuell, verbal, emotional) sind niemals in Ordnung und gefährden die Gesundheit und Sicherheit der Betroffenen.

Dennoch kann das Gefühl der Hilflosigkeit es der Betroffenen erschweren, Veränderungen einzuleiten, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen oder sich aus einer belastenden Situation oder Beziehung zu lösen.

Beispiele:
Ezgi weiß, dass David ein guter Ehemann und Vater ist. Er steht in letzter Zeit unter enormem Stress, wegen der Veränderungen auf der Arbeit. Doch seit er mehr trinkt, ist nichts mehr wie vorher und jedes Gespräch, das sie führen, endet damit, dass er aus dem Zimmer hinausstürmt und die Tür hinter sich zuschlägt. Ezgi wünscht sich, dass sich etwas ändert, aber sie weiß, dass sie auf Davids Verhalten keinen Einfluss hat, genauso wie sie auch auf das Verhalten derjenigen, die sie als Kind sexuell missbraucht haben, keinen Einfluss hatte. Es spielte keine Rolle, was sie damals dachte oder wollte, genauso wenig wie es heute eine Rolle spielt. Sie wird einfach abwarten und hoffen müssen, dass sich alles wieder normalisiert.
Gemma gerät in Panik, wenn ihr Vater zu Besuch in die Stadt kommt. Er will sie und die Kinder jedes Mal besuchen, und sie schafft es nicht abzusagen. Sie weiß nicht, was passiert, wenn er provoziert wird. Als ihr Vater sie fragt, ob er eines ihrer Kinder zum Angeln mitnehmen kann, ist Gemma wie betäubt, während sie sich selbst dabei beobachtet, wie sie ja sagt. Sie sagt sich, dass wenn ihre Mutter keine Kontrolle darüber hatte, wie er Gemma vor all den Jahren missbrauchte, dann kann Gemma nicht kontrollieren, was er in der Gegenwart tut.
Alina will weg, sie will an einen sicheren Ort, zumindest für ein paar Nächte. Was Stefan ihr letzte Nacht angetan hat, sollte das Fass zum Überlaufen bringen. Sie hat eine Tasche gepackt, aber nach vielem überlegen beschließt Alina doch nicht zu gehen. Es wird nichts nützen. Was auch immer sie versucht, es wird nicht funktionieren. Alina hat seit ihrer Kindheit gelernt, dass, egal was sie tut, Menschen ihr immer Leid zufügen werden.

Kann man eine dysfunktionale Beziehung retten?

Jede Beziehung ist anders und das Ergebnis, dass für das eigene Wohlbefinden in der Beziehung am besten geeignet ist, hängt von vielen Faktoren ab. In einigen Fällen können Beziehungen durch zusätzliche Ressourcen und Strategien gestärkt werden, z.B. durch die durchsetzungsstarke Kommunikation oder durch einen professionellen Berater. In anderen Fällen kann es erforderlich sein, eine dysfunktionale Beziehung zum Wohle aller Beteiligten zu unterbrechen oder zu beenden.

Ob du nun eine Betroffene bist oder nicht, Beziehungen sind wichtig und wenn es darum geht, von einem Trauma zu heilen, kann der Aufbau eines starken Unterstützungssystems eine wichtige Grundlage sein, auf der man bauen kann.1 Es ist wichtig, dass du Menschen in deinem Unterstützungssystem hast, die dir Raum geben können, wenn du bei ihnen um Rat, Bestätigung und Mitgefühl suchst.

Ressourcen zur Bewältigung dysfunktionaler Beziehungen

Im Folgenden findest du drei Empfehlungen aus unserer Ressourcenbibliothek. Jede dieser Empfehlungen ist ein Hilfsmittel, das dir dabei helfen kann, mit dysfunktionalen Beziehungen in deinem Leben umzugehen.
Close-up of two people, male and female, holding hands
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