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Ressourcen zum Heilen:

Bewusstes Handeln

Bewusste Verhaltensweisen sind die Entscheidungen, die du triffst, und die Gewohnheiten, die du dir aneignest, um zu heilen und zu wachsen.
Für viele Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch besteht ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses darin, sich durch die Entscheidungen, die sie treffen, gestärkt zu fühlen. Das ist besonders dann der Fall, wenn Betroffene Bewältigungsstrategien entwickelt haben, die sie nicht vollkommen verstehen oder bei denen sie das Gefühl haben, sie nicht kontrollieren zu können. Die gute Nachricht ist, dass solche Verhaltensweisen, egal wie dominant sie im Leben einer Betroffenen sind, durch neue Verhaltensweisen ersetzt werden können, die der Heilung und dem Wohlbefinden der Betroffenen besser zugutekommen. Wir nennen diese heilsamen Verhaltensweisen bewusstes Handeln.

Was bedeutet bewusstes Handeln?

Bewusstes Handeln sind die Entscheidungen, die du triffst und die Gewohnheiten, die du dir aneignest, um zu heilen und zu wachsen.1,2 Im Gegensatz zu Verhaltensweisen, die reaktiv und emotional von einem belasteten limbischen System, gesteuert werden, sind bewusste Verhaltensweisen durch Achtsamkeit geprägt, mit dem Ziel die Handlungen der Betroffenen in der Gegenwart mit ihren Zielen für die Zukunft in Einklang zu bringen.

Warum ist das bewusste Handeln für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch so wichtig?

Bewusstes Handeln ermöglicht es den Betroffenen, neue Nervenbahnen zu schaffen, die ihnen helfen, die Auswirkungen ihres Traumas zu bewältigen, einschließlich der ungesunden Bewältigungsstrategien, die sie im Laufe der Zeit entwickelt haben. Diese Verhaltensweisen können von exzessivem Einkaufen oder Sporttreiben bis hin zum Selbstsabotieren möglicher Beziehungen oder häufigem Dissoziieren reichen.

Viele dieser ungesunden oder unerwünschten Verhaltensweisen werden von dem Drang des limbischen Systems angetrieben, die Betroffene in Sicherheit zu bringen und Erleichterung zu finden. Diese Verhaltensweisen mögen zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt nützlich gewesen sein, um der Betroffenen zu helfen, mit dem Trauma ihrer Kindheit fertig zu werden, aber in der Gegenwart können sie den Heilungsprozess der Betroffenen behindern.

Nehmen wir Olivia, die glaubte, dass sie in ihrer Kindheit nur dann ein Gefühl der Erleichterung oder Kontrolle finden konnte, wenn sie aß, was sie wollte, wann immer sie wollte. Diese Bewältigungsstrategie ermöglichte es ihr, die schwierigsten Zeiten des Missbrauchs zu überstehen. Als Olivia älter wurde und der Missbrauch aufhörte, stellte sie fest, dass sie ihre Essgewohnheiten immer noch als Bewältigungsstrategie nutzte, obwohl diese Gewohnheiten ihr Wohlbefinden, ihre Entscheidungen im Alltag und ihre Beziehungen zu anderen behinderten.

Olivia nahm sich vor, mehr darauf zu achten, wie sich die Lebensmittel, die sie aß, auf ihr Wohlbefinden auswirkten. Nach ein paar Tagen fiel es ihr jedoch schwer, dieses Vorhaben umzusetzen. Da ihr ungesundes Essverhalten ihr am vertrautesten und angenehmsten war, fiel es ihr schwer, dieses Verhalten in eine neue, heilsamere Handlung umzuleiten.

Wie Olivia haben wir alle Verhaltensweisen, auf die wir uns im Laufe der Jahre verlassen haben, um zu überleben. In der Vergangenheit haben uns diese Verhaltensweisen Erleichterung, Trost und Auswege verschafft, aber im Laufe unserer Heilungsprozesse haben wir vielleicht einen Punkt erreicht, an dem diese Verhaltensweisen nicht mehr helfen. Da wir uns so lange auf diese vertrauten Verhaltensweisen verlassen haben, kann es eine besondere Herausforderung darstellen, sie durch etwas Neues zu ersetzen, selbst wenn wir einen Plan dafür entwickelt haben.

Ist es wirklich möglich neue, bewusste Verhaltensweisen zu entwickeln?

Ja, und zwar mit Beständigkeit. Beständigkeit bedeutet, dass du Ziele und Vorsätze, die du dir vorgenommen hast, auch dann weiter durchziehst, selbst wenn es dir schwerfällt. Es bedeutet auch, dass du dich täglich anstrengst, sogar dann, wenn Gedanken der Scham und der Selbstvorwürfe dich davon überzeugen wollen, dass du versagt hast und dass es zu spät ist, es noch einmal zu versuchen.

Da solche selbstzerstörerischen Gedanken und Emotionen häufig auftreten, wenn wir versuchen, uns zu ändern, ist es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Konsequenz und Mitgefühl zu finden. Begegne dir selbst mit Liebe und Verständnis und lasse Raum für das Ausprobieren, für vermeintliche Fehltritte oder Rückschläge und für Tage, an denen es schwer ist und du frustriert bist.

Mit dieser Kombination aus Beständigkeit und Mitgefühl kannst du mit der Zeit die neuen Gedanken und vorgenommenen Handlungen in umsetzbare Verhaltensweisen ändern. Je vertrauter und geübter diese heilsamen Verhaltensweisen werden, desto leichter wird es dir fallen, auf sie zurückzugreifen, statt auf deine alten Verhaltensmuster einzugehen.

Wie schaffe ich bewusste Verhaltensweisen?

Ein neues Verhalten zu entwickeln, kann einem schwerfallen und es kann mühsam sein, zu wissen, wo man anfangen soll. Im Folgenden findest du verschiedene Schritte, die dir dabei helfen können, bewusste Verhaltensweisen zu entwickeln.

01

BESTIMME DEINE VORSÄTZE

Der erste Schritt zur Veränderung in jedem Lebensbereich besteht darin, dir einen Vorsatz zu setzen. Ein Vorsatz ist ein Wort, ein Satz oder eine Aussage, die ausdrückt, was dir im Leben am wichtigsten ist und/oder worauf du hinarbeiten möchtest. Vorsätze sind feste Entschlüsse und dienen dazu, dich daran zu erinnern, worauf du deine Lebensentscheidungen ausrichten möchtest.

Beispiele für Vorsätze:

  • Erholsamer Schlaf
  • Meine Familie und Freunde
  • Zeit im Freien verbringen
  • Ich treffe Entscheidungen, die mein Gehirn und meinen Körper versorgen

Wenn du weitere Fragen dazu hast, was Vorsätze sind oder wie du sie erkennen kannst, informiere dich hier.

02

ERSTELLE EINEN PLAN, UM DEINE VORSÄTZE ZU VERWIRKLICHEN

Wenn du dir über deine Vorsätze im Klaren bist und sie aufgeschrieben hast, kannst du aktiv handeln, um der gewünschten Zukunft näher zu kommen. Dies kannst du tun, indem du einen Plan erstellst - einen Plan, der deine Vorsätze in kleinere, realistische Ziele aufteilt.3 Während ein Vorsatz eine fortlaufende Aussage ist, die ausdrückt, was dir wichtig ist, ist ein Ziel etwas Realistisches und Messbares, das du erreichen willst.

Wenn du dir z.B. vornimmst, deine Kreativität zu fördern, um Freude zu finden und sie als Bewältigungsstrategie zu nutzen, könnte dein Ziel lauten: „Verbringe jeden Tag fünfzehn Minuten an einem kreativen Projekt.“

Mit den Zielen, die du dir setzt, erstellst du einen Plan. Anhand dieses Plans triffst du Entscheidungen, die sich an dem orientieren, was für dich am wichtigsten ist.

03

IDENTIFIZIERE HINDERNISSE

Während du deinen Plan aufschreibst, solltest du deine Hindernisse identifizieren, damit du besser auf die Dinge vorbereitet bist, die dich davon abhalten könnten, deine Ziele zu erreichen. Nehmen wir an, du hast dir vorgenommen, weniger online zu shoppen und diese Bewältigungsstrategie auf das Tagebuchschreiben umzuleiten. Eines der Hindernisse könnte sein, dass du dazu neigst, vor dem Schlafengehen mehr im Internet zu shoppen. Um dich auf dieses Hindernis vorzubereiten, nimmst du dir vor, dein Handy ab einer bestimmten Uhrzeit wegzulegen und dein Tagebuch und deinen Stift auf dein Nachttisch zulegen. Auf diese Weise wird es dir leichter fallen, das abendliche Online-Shopping durch Tagebuchschreiben zu ersetzen.

Denke auch daran, alle Hindernisse in deinem Umfeld oder in deinen Beziehungen zu identifizieren. Dazu können auch Grenzen gehören, die du mit Menschen setzen musst, die dich nicht unterstützen oder die Handlungen und Verhaltensweisen verstärken, die du ändern willst.

04

FANGE KLEIN AN

Bewusstes Verhalten besteht aus kleinen, tagtäglichen Handlungen.4 Zu viele Veränderungen auf einen Schlag können dazu führen, dass du dich überfordert fühlst und nicht in der Lage bist, dauerhafte Veränderungen vorzunehmen. Je realistischer und messbar das Ziel, desto wahrscheinlicher ist es, dass du es auch erreichen kannst. Ziele sollen dir helfen, einen Schritt auf die gewünschte Veränderung zuzugehen, anstatt einen großen Sprung nehmen zu müssen.

Anstatt dir z.B. das Ziel zu setzen: „Ich werde von jetzt an sozial sein und jeden Abend in der Woche mit anderen, Pläne machen“, kannst du stattdessen schreiben: „Ich werde diese Woche einen Freund oder eine besondere Person kontaktieren und fragen, ob wir uns zum Brunch treffen können.“ Oder, anstatt zu schreiben: „Ich werde nach 21 Uhr nicht mehr auf mein Handy schauen“, könntest du schreiben: „Wenn ich nach 21 Uhr den Drang verspüre, auf mein Handy zu schauen, werde ich erstmal eine zehnminütige Pause einlegen und etwas anderes ausprobieren.“

05

SEI GEDULDIG

Da bedeutsame Veränderungen normalerweise nicht auf einmal geschehen, solltest du beim Setzen deines Vorsatzes berücksichtigen, wie viel Zeit du realistischerweise brauchen wirst, bis die von dir vorgenommenen Änderungen zufriedenstellende Ergebnisse liefern. Normalerweise dauert es Wochen oder sogar Monate, um ein Verhalten zu ändern.

Wenn man sich beispielsweise vornimmt, täglich 15 Minuten lang zu meditieren, ist es sehr wahrscheinlich, dass man einen oder sogar mehrere Tage verpassen wird. Das ist völlig in Ordnung, denn du kannst dir die Zeit und die Selbstliebe erweisen, um diese Veränderung vorzunehmen. Wenn du deinem neuen Verhalten Zeit gibst, sich zu entwickeln, hast du Zeit, die Erinnerungen des limbischen Systems neuauszurichten und neue Nervenbahnen zu schaffen.

06

SUCHE UND AKZEPTIERE UNTERSTÜTZUNG VON ANDEREN

Überlege dir im Rahmen deines Plans, wem du vertraust und an wen du dich in schwierigen Zeiten für Zuspruch und Unterstützung wenden kannst. Schreibe ein paar Namen auf, damit du, falls die erste Person während einer Krise oder Herausforderung nicht verfügbar ist, andere Unterstützer hast, an die du dich wenden kannst. Vielleicht musst du nur mit jemandem über die Hindernisse sprechen, die du überwinden musst und darüber, wie sie deine Ziele erschweren. Möglicherweise brauchst du aber auch jemanden, der dich an deinen Wert, deine Widerstandsfähigkeit und deine Stärken erinnert. Letztendlich ist es einfacher, deine Ziele durchzuziehen, wenn du jemanden an deiner Seite hast.

07

FÜHRE EIN TAGEBUCH ÜBER DEINE ERFOLGE UND FEHLER

Ein Tagebuch ist ein großartiges Hilfsmittel, das einem dabei helfen kann, seine Verhaltensmuster zu erkennen, sowie Fehler und Fortschritte wahrzunehmen und zu verfolgen. Vergiss nicht deine Erfolge und deinen Fortschritt zu feiern, egal wie klein sie auch erscheinen mögen. Achte bei der Anerkennung deiner Fehler darauf, dass du die Selbstvorwürfe durch Selbstmitgefühl ersetzt. Ein solcher Eintrag könnte z.B. lauten: „Ich hatte heute während eines Meetings Probleme mit meiner Kommunikation und bin wieder in meine passiv-aggressiven Tendenzen zurückgefallen. Aber es war ein sehr stressiger Morgen und ich gebe mein Bestes.“

08

ÄNDERE DEINEN PLAN, WENN NÖTIG

Die Ziele, die du dir vornimmst, müssen nicht für immer festgelegt sein. Wenn du einen Plan für dein bewusstes Handeln erstellst, solltest du ein Datum festlegen, an dem du deinen Plan überarbeitest, um zu sehen, was funktioniert und was nicht. Vielleicht nimmst du dir vor, wieder eine Verbindung mit deinem Körper herzustellen und beschließt, diese Vorsätze mit dem Ziel umzusetzen, jeden Tag laufen zu gehen. Nach einer Woche merkst du jedoch, dass dir das Joggen nicht gefällt und du lieber eine andere körperliche Aktivität in deine Routine einbauen möchtest. Wenn das der Fall ist, kannst du deinen Plan ändern und stattdessen täglich ein wenig Zeit mit Gartenarbeit oder Spazierengehen verbringen, um dich mit deinem Körper zu verbinden. Durch diese Anpassung fühlst du dich selbstbewusster dein neues und bewusstes Handeln in dein Leben aufzunehmen.

Du kannst deinen Plan auch später überarbeiten, wenn sich deine Bedürfnisse, Grenzen, Situationen und Beziehungen geändert haben. Vielleicht hat dir die Gartenarbeit und das Spazierengehen eine Zeit lang geholfen, doch nun hast du dir vorgenommen, eine engere Beziehung zu deinen Nichten und Neffen aufzubauen. Um diese Beziehungen zu fördern und deine Verbindung zu deinem Körper weiter zu stärken, nimmst du dir vor, ein paar Mal pro Woche mit einer Nichte oder einem Neffen Racquetball zu spielen. Mit diesem neuen Plan kannst du deine Vorsätze zu einem Plan zusammenführen, der das Wachstum in verschiedenen Lebensbereichen fördert.

Wo auch immer du dich auf deinem Weg zur Besserung befindest und welche Bedürfnisse und Aspirationen du gerade hast, du kannst dir neue Vorsätze setzen, um deinen aktuellen Stand mit dem zu übereinstimmen, den du gerne erreichen möchtest.

Heilen geschieht, wenn du weiter machst

Wenn du dir einen Plan machst, um neue heilsame Handlungen und Verhaltensweisen auszuführen, kommst du nicht nur deiner gewünschten Zukunft näher, sondern du hilfst auch deinem Gehirn zu heilen bewusste Handlungen, wie das Planen, Verfolgen und Umsetzen deiner Vorsätze, stärken deinen Präfrontalkortex. Diese zusätzliche Stärke wirkt sich auch positiv auf dein limbisches System aus, da du neue Verbindungen in deinem Gehirn aufbaust, die deinen Körper zum Handeln anregen. Mit dem Blick in die Zukunft und der Umsetzung deiner Vorsätze kannst du neue positive Erinnerungen und Erfahrungen schaffen. Mit der Zeit und bei konsequenter Zuwendung werden diese neu entwickelten neuronalen Bahnen stärker und du wirst mehr Selbstvertrauen haben, um deine Pläne und Aspirationen in die Tat umzusetzen.

Auch hier gilt: Begegne dir selbst mit Liebe und Güte, während du dich bemühst, dein bewusstes Handeln in die Tat umzusetzen. Es braucht Zeit, Geduld und eine Menge Übung, um neue Verhaltensweisen in dein Leben zu integrieren. Denke daran, dass wenn du dir mehr Zeit nimmst, achtsam bist und Raum für Selbstmitgefühl lässt, du eher Erfolg haben wirst, als wenn du versuchst, alle deine Vorsätze in einem halsbrecherischen Wettlauf zu erreichen.

Wenn du einen Plan erstellst, der es dir ermöglicht neue, bewusste Verhaltensweisen zu entwickeln, übst du:

  • Akzeptanz, indem du erkennst, welche Verhaltensweisen in deinem Leben nicht mehr hilfreich sind und in welchen Bereichen du gerne wachsen oder dich verändern würdest.
  • Achtsamkeit, indem du dir bewusst machst, welche Werte dir am wichtigsten sind, was du tun kannst, um dein Verhalten an diesen Werten auszurichten, und welche Hindernisse auf dem Weg dorthin auftauchen können.
  • Aspiration, indem du dir vornimmst, was du in Zukunft tun willst, in der Überzeugung, dass du heilen kannst.