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Kognitive Verzerrungen überwinden

Eine kognitive Verzerrung ist eine mentale Abkürzung, die unser Verstand nimmt und die in Gefühlen von Scham, Verurteilung und Selbstbeschuldigung verwurzelt ist.

Was sind kognitive Verzerrungen?

Jeder Mensch nimmt von Zeit zu Zeit gedankliche Abkürzungen. Du kannst z.B. die Länge deines Arbeitsweges anhand des gestrigen Verkehrs abschätzen. Es kann jedoch vorkommen, dass diese Abkürzungen nicht helfen und nicht immer der Realität entsprechen. Eine kognitive Verzerrung ist eine mentale Abkürzung, die unser Verstand wählt und die auf Gefühlen von Scham, Kritik und Selbstvorwürfen beruht. Solche auf Scham basierenden gedanklichen Abkürzungen sind bei Betroffenen von sexuellem Kindesmissbrauch besonders stark verbreitet.

Ein Beispiel für eine schambedingte Abkürzung könnte wie folgt aussehen:

Situation: Du hast Kopfschmerzen
Gedanke: „Ich komme so schlecht mit meinem Leben zurecht,
dass ich von den kleinsten Dingen schon Kopfschmerzen bekomme.
Wieso versuche ich es überhaupt noch?“

Letztendlich verstärken kognitive Verzerrungen (manchmal auch als „Denkfehler“ bezeichnet) oft die Scham, die eine Betroffene bereits empfindet, anstatt eine andere, mitfühlendere Perspektive zu ermöglichen.

Kognitive Verzerrungen, die Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch häufig erleben

Wenn du mentale Abkürzungen erkennst, kannst du besser einschätzen, ob sie dir tatsächlich helfen oder nicht. Hier sind fünf Arten kognitiver Verzerrungen, die viele Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs häufig erleben:

EXTREMES DENKEN

Dazu gehört, dass man alles nur schwarz-weiß sieht, ohne Zwischentöne und dass man eine übertriebene Vorstellung von dem hat, was passiert.

  • „Ich werde niemals eine Beziehung zu jemandem aufbauen können.“
  • „Ich bin immer allein und kann nie etwas mit Freunden unternehmen.“

FIXIERUNG AUF EIN EINZELNES EREIGNIS

Man erwartet, dass alle gegenwärtigen und zukünftigen Situationen einem einzigen Vorfall ähneln.

  • „Es fiel mir unglaublich schwer, meine Geschichte mit jemandem zu teilen, und die Person, der ich von meinem Missbrauch erzählt habe, hat grausam reagiert. Ich sollte niemandem von meinem Missbrauch erzählen, weil sie genauso reagieren werden.“

DAS POSITIVE HERAUSFILTERN

Positive Erfahrungen anerkennen, sie dann aber als bedeutungslos oder außergewöhnlich abtun.

  • „Ich hatte heute keinen schlechten Tag, aber das ist wahrscheinlich nur ein Zufall.“
  • „Ich habe gutes Feedback zu meinem Projekt erhalten, aber nur, weil sie es nicht genauer unter die Lupe genommen haben, um alle meine Fehler zu sehen.“

VOREILIGE SCHLÜSSE ZIEHEN

Anhand aktueller Gefühle, vergangener Erfahrungen oder kleiner Informationsfragmente Annahmen über die Zukunft oder die Gedanken anderer treffen.

  • „Meine Freundin hat mich in der Vergangenheit nicht unterstützt, also wird sie mich wahrscheinlich auch in Zukunft nicht unterstützen.“
  • „Andere denken, ich sei geschädigt.“

PERSÖNLICH WERDEN

Sich selbst die Schuld geben oder annehmen, dass die Situation von den eigenen Handlungen und nicht von anderen Umständen abhängt.

  • „Sie war so verärgert. Es muss etwas sein, was ich gesagt habe.“
  • „Sie haben die Regeln geändert. Wahrscheinlich, weil ich vor zwei Monaten zu spät gekommen bin.“

Wie man kognitive Verzerrungen herausfordert

Wenn du eine kognitive Verzerrung identifiziert hast, kannst du diesen Gedanken mit verschiedenen Fragen hinterfragen. Diese Fragen können dir dabei helfen, einen schamhaften Gedanken zu analysieren und alternative Sichtweisen auf die Situation zu finden, die zu diesem Gedanken geführt hat.

Im Folgenden findest du ein Beispiel für eine kognitive Verzerrung, und Fragen, die du dir stellen kannst, um sie zu hinterfragen, und mögliche Antworten auf diese Fragen.

Gedanke:
Ich werde niemals jemandem vertrauen können.
Kognitive Verzerrung(en):
Schwarz-Weiß-Denken, voreilige Schlüsse ziehen

Fragen zur Herausforderung kognitiver Verzerrungen:

F. Weiß ich mit Sicherheit, dass ich niemandem mehr trauen kann?
A.
Ich bin mir nicht 100%ig sicher, dass ich keinem Menschen mehr vertrauen kann.
F. Bin ich mir über die Konsequenzen oder Ergebnisse sicher?
A.
Nicht 100%ig, nein. Meistens bin ich mir nicht zu 100% sicher.
F. Welche Anzeichen sprechen für diese Angst oder diesen Glauben?
A.
Ich wurde in der Vergangenheit verletzt, belogen und missbraucht. Menschen sind zu schrecklichen Dingen fähig, deshalb kann ich nicht ganz sicher sein, dass mich nicht wieder jemand verletzen wird.
F. Welche Beweise sprechen gegen diese Angst oder Überzeugung?
A.
Es gibt ein paar Menschen in meinem Leben, die immer für mich da waren, wenn ich sie brauchte. Sie haben schon früher gesagt, dass sie sich um mich kümmern werden, und ihre Taten zeigen das auch.
F. Ist es möglich, dass auch das Gegenteil passieren könnte? Was wäre dann das Ergebnis?
A.
Ich könnte mich entscheiden, jemandem zu vertrauen, der mich nicht schlecht behandelt. Wir könnten eine gesunde, starke Beziehung aufbauen, die für uns beide gut ist.
F. Wird meine negative Vorhersage von den intensiven Emotionen angetrieben, die ich gerade empfinde?
A.
Ja. Ich empfinde derzeit Angst, Unsicherheit und Misstrauen - und ich ärgere mich über diese Gefühle.
F. Was ist das Schlimmste, was passieren könnte? Was könnte ich tun, um damit umzugehen?
A.
Ich entscheide mich, jemandem zu vertrauen, und derjenige lässt mich im Stich. Das wäre schmerzhaft, sogar herzzerbrechend. Ich würde wahrscheinlich viel weinen, mit meinem Therapeuten sprechen und in meinem Tagebuch darüberschreiben, bevor ich die Seiten verbrenne. Aber ich würde es wahrscheinlich überstehen. Ich meine, ich habe es schon einmal geschafft.
F. Wenn jemand, der mir wichtig ist, dieses Problem hätte, was würde ich ihm oder ihr sagen?
A.
Ich würde ihm oder ihr wahrscheinlich sagen, dass er/sie es verdient hat eine gesunde Beziehung zu führen und sich anderen nahe zu fühlen. Ich würde dieser Person sagen, dass sie, wenn sie wirklich so ängstlich ist, ihre Beziehungen Schritt für Schritt angehen kann, in einem Tempo, das für sie gut ist. Ich würde ihr auch sagen, dass sie geduldig mit sich selbst sein und sich zuerst um sich selbst kümmern sollte.

Geduldig und selbstmitfühlend

Es ist ein langwieriger Prozess, seine mentalen Abkürzungen zu erkennen, zu denen dein Verstand manchmal neigt, und auch, wie diese Abkürzungen die Scham verstärken können. Aber wenn du damit beginnst, gewisse schambedingte Gedanken zu erkennen und sie mit den oben genannten Fragen zu hinterfragen, wird es dir in Zukunft leichter fallen, deine kognitiven Verzerrungen zu erkennen. Es wird sich auch zunehmend natürlicher anfühlen, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten - statt durch die Linse der Scham - und Raum für mehr Selbstmitgefühl, Kontext und Verständnis zu schaffen. Wir ermutigen dich, diese Übung zusammen mit anderen Techniken des Selbstmitgefühls Geduld und Neugierde zu praktizieren.

Durch das Erkennen und Hinterfragen deiner kognitiven Verzerrungen übst du dich in:

  • Akzeptanz, indem du die schamgeprägten Gedanken wahrnimmst und erkennst, wie sich diese Gedanken auf deine Wahrnehmung, deine Gefühle und dein Verhalten auswirken.
  • Achtsamkeit, indem du deine Gedanken mit Neugierde, Mitgefühl und Selbstmitgefühl beobachtest.
  • Aspiration, indem du an der Fähigkeit arbeitest, deine Gedanken neu auszurichten, um mit der Scham, die du in Zukunft erleben wirst, besser umgehen zu können.